Mitte Juni sollte unser Gletscherkurs, und damit unsere ersten Erfahrungen mit Steigeisen und Eispickel, starten. Doch bevor es los ging wurden wir von Georg, Ulrike und Volker, unseren Trainern, an zwei Vorbereitungsabenden im Sektionszentrum mit viel Engagement in die Grundlagen der Spaltenbergung eingeführt.
Nach vielen Übungen mit dem Sandsack war es dann am Donnerstag den 13. Juni soweit. Am späten Nachmittag ging es vom Parkplatz bei der Europahalle in zwei Fahrgemeinschaften los in Richtung Schweiz. Bei schönstem Frühsommerwetter erreichten wir unser erstes Etappenziel‚ das Hotel ‚Steingletscher‘ unterhalb des Sustenpasses.
Der Frühling war aber noch nicht richtig auf der Höhe von knapp 1900 m angekommen. Der Sustenpass noch gesperrt, der Gletscher und die umgebende Landschaft noch von überraschend viel Schnee bedeckt.
Nach dem Z‘nachtÄsse und der Tourenbesprechung ging es dann bald, in froher Erwartung was wir die nächsten Tage in praktischer Anwendung lernen werden, aufs Lager.
Nach kurzer Nacht aber durch ein reichhaltiges Frühstück gestärkt, ging es am nächsten Morgen los. Vor dem Aufstieg zur Tierberglihütte (2795 m), unser Unterkunft für die nächsten Tage ging es bei strahlendem Sonnenschein am Fuß des Gletschers direkt mit praktischen Übungen zum ersten Ausbildungsthema „Bremstechniken im Firn“ los.
Fallen und Rutschen in allen Lebenslagen war angesagt. Nach anfänglichem Zögern gewann die Gruppe doch immer mehr Spaß am kontrollierten Abgang im Steilgelände. Die zentrale Aufgabe war es, aus jedweder Körperlage schnellstmöglich den Kopf nach oben und Körper in die gespreizte Liegestützenhaltung zu manövrieren. Jedoch Vorsicht ist angesagt bei angelegten Steigeisen. Wenn diese angelegt, gilt vorbeschriebenes nur zum Teil. Beine sind in Bauchlage dann abgewinkelt Richtung Himmel zu orientieren. Dies soll die katastrophale Bremswirkung der Steigeisen bei Kontakt mit dem Untergrund verhindern. Bei Nichtbeachtung hätte dies unkontrollierbare Überschläge im steilen Gelände zur Folge. Hier darf man nicht mit den Füßen bremsen sondern nur mit dem Eispickel, den man mit der Haue in den Untergrund drückt.
Nach einer ausgiebigen Pause stiegen wir schließlich am frühen Nachmittag über den Steingletscher auf zur Tierberglihütte. Das Wetter zeigte sich weiterhin von seiner guten Seite. Die Sonne und nur wenige Wolken offenbarten uns ein weites Gletschertal. Deutlich erkennbar aber auch hier die Auswirkungen der Klimaerwärmung. Der Gletscher hat sich in den letzten Jahren doch deutlich zurückgezogen. Heute aber waren die Eismassen unter einer dicken Schneeschicht versteckt.
Gut gelaunt kamen wir flott voran. In gut 2,5 Stunden hatten wir die Tierberglihütte erreicht. In Erwartung von noch zahlreichen Bergsteigern und Tourengängern, die noch am Wochenende kommen sollten, wurde unserer Gruppe mit 11 Personen ein recht bescheidenes Lager zugewiesen. Nachdem wir uns eingerichtet hatten nahte auch schon der Abend und mit ihm der Hunger nach getaner Mühe.
Beim Abendessen und dem ein oder anderen Getränk ließen wir das Erlernte und die Eindrücke der grandiosen Landschaft Revue passieren. Georg sorgte dafür, dass vom gereichten Essen überhaupt gar nichts übrig blieb, und war so Garant für das gute Wetter der folgenden Tage.
Des Nachts rüttelten immer mal wieder kräftige Windböen an der Hütte. Fenster und Fensterläden im Schlafraum sollten verschlossen bleiben. Angst um ausreichende Atemluft in der bescheidenen Schlafhöhle machte sich breit. Und zu allem Überfluss outete sich der ein oder andere männliche Teilnehmer als bekennender Schnarcher. Dies veranlasste die Gruppe über verschiedene Szenarien zu sinnieren, welche Unterbringungsmöglichkeiten für diese Schlafstörer geeignet erscheinen. Letztendlich ließ man aber Gnade walten.
Der nächste Tag konnte beginnen. Der ursprüngliche Plan für Samstag war, morgens bereits vor dem Frühstück eine kleine Tour auf den „Vorderer Tierberg“ (3091m) zu machen, um dann nach dem Frühstück mit dem zweiten Teil der Rettungsübungen zu beginnen. Leider, leider, leider gab es Frühstück nur von 6 bis 7 Uhr, so dass wir es nicht rechtzeitig zurück geschafft hätten ;-)
So sind wir dann gemütlich gegen 7 Uhr in 4er Seilschaften aufgebrochen. Aufgrund des vielen Schnees war kein (Gletscher-) Eis zu sehen und auch keine Spalten. So erreichten wir problemlos den kurzen Grat zum Gipfel und waren gegen 8:30 Uhr oben. Der Abstieg ging dann schnell und gegen 9:30 Uhr waren wir wieder bei der Hütte.
Die Gruppe wurde in drei Übungsgruppen aufgeteilt und es gab drei Stationen: Lose Rolle, Selbstrettung und Aufstiegstechnik mit Steigeisen und Pickel.
Für die Aufstiegstechniken mussten wir zunächst ein kleines Eisfeld vom Schnee „säubern“, damit wir das Gehen auf blankem Eis üben konnten. Auch das Setzen einer Eisschraube wurde hier geübt.
Die Lose Rolle ist für die Spaltenrettung essentiell, so dass im Kurs Wert darauf gelegt wurde nicht nur zu wissen wie diese funktioniert, sondern so viel wie möglich unter realistischen Bedingungen zu üben. Daher gab es hier an einer Gletscherkante eine weitere Übungsstation. Es wurde ein Sturz simuliert und die Rettung musste von allen in jeder Position durchgeführt werden (unter den kritischen Augen von Ulrike mit Stoppuhr).
Letzte Station war dann die Selbstrettung. Geübt wurden hier das Hochziehen mit Prusikschlinge, das Umsetzen der Prusiken bei Bremsknoten und schließlich das Überwinden der oberen Kante mittels „Münchhausentechnik“.
Vor lauter Übungen hätten wir fast das Abendessen vergessen, doch dank unserer freundlichen Gastwirte hatten wir trotz Verspätung noch etwas zu Essen bekommen.
Nach einer schneereichen Nacht und mit dem erlernten Wissen für eventuelle Notfälle machten wir uns schließlich am Sonntagmorgen auf zu unserer ersten Hochtour. Unser Ziel war der „Mittlere Tierberg“ (3311m). Diesmal bildeten wir Neulinge und unsere Trainer eigene Seilschaften und somit durften wir in gewissem Rahmen eigenverantwortlich handeln. Um einen Eindruck zu bekommen wie es ist an den unterschiedlichen Positionen der Seilschaft zu laufen, haben wir während der Tour durchgewechselt, wobei wir schnell festgestellt haben, das jede Position seine Vor- und Nachteile hat und Kommunikation unerlässlich ist, um ein angemessenes Tempo für jeden zu finden.
Zu Beginn des Aufstiegs hatten wir kaum Sicht, da sich die Wolken genau auf unserer Höhe befanden. Um sicher voranzukommen, folgten wir einer bereits angelegten Spur und sicherten unseren Weg zusätzlich mit dem GPS von Georg ab.
Mit wenig Hoffnung auf eine gute Aussicht wurden wir kurz vor dem Gipfel völlig unerwartet mit strahlendem Sonnenschein überrascht. Wir hatten das Ende der Wolkendecke erreicht und es bot sich uns ein spektakulärer Anblick.
Nach einer ausgedehnten Pause stiegen wir schließlich wieder ab zur Tierberglihütte und von dort aus weiter ins Tal zurück zu unserem Startpunkt dem Hotel „Steingletscher“. Auf dem Weg nach unten konnten wir noch einige Male donnernde Lawinen bestaunen, die sich in der Mittagssonne auf in sicherer Entfernung liegenden Steilhängen lösten.
Beim Hotel angekommen, genossen wir einen letzten gemeinsamen Umtrunk im strahlenden Sonnenschein, die Wolken hatten sich nun vollständig aufgelöst, bevor wir uns nach ein paar wunderbaren Tagen leider auch schon wieder auf den Heimweg machen mussten. Nochmals einen herzlichen Dank an das Trainierteam Georg, Ulrike und Volker und bis bald, zurück in den Bergen.
Andreas, Harald und Martin