…nur ein bisschen Schnee!
Ein ungefährer Kommentar unseres Bergführers Jürgen, als wir, eine gut durchmischte Gruppe aus 11 bergbegeisterten Menschen, an der Rappenseehütte auf guten 2.000m angekommen waren: „ Oh, na hier sieht man ja wirklich gar keinen Fels!“
Laut Aussage der Hüttenwirte liegt in diesem Juni so viel Schnee wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr um diese Jahreszeit. Schon beim Aufstieg mussten wir eine alternative Route wählen, da der Weg über die Enzianhütte aufgrund von Schneefeldern noch als unpassierbar galt.
Wie gut also, dass unsere erfahrenen Guides Jürgen und Bernhard ausreichend Improvisationstalent hinsichtlich der Kursgestaltung aufwiesen und die Inhalte sich für jeden und jede von uns „beliebig kompliziert“ gestalteten. So ging es direkt nach einer ersten Stärkung und dem Bezug der gemütlichen Zimmer zu einem Schneehang auf ebenjenem dann fleißig das Firnrutschen geübt wurde, damit wir auch wissen wie wir uns retten und bremsen können, sollten wir im steilen Gelände auf Schnee ausrutschen. Dies war wahrlich eine gute Übung für die folgenden Tage. Mit Schnee in Hosentaschen, Helm, Ohren oder auch Mündern ging der erste Tag zu Ende.
Für den Rest des Wochenendes war sich der wechselnde Wetterbericht darin einig, dass es insgesamt nicht so toll sein, zuziehen und irgendwann regnen oder gewittern sollte (wie wir lernten ist das nicht immer so einfach mit dem Wetter). Wir verfolgten also die Strategie immer und immer wieder Einschätzungen des Ist-Zustandes vorzunehmen und nach jedem Stück des Weges eine neue Entscheidung zu treffen. So machten wir uns auf in Richtung Hohes Licht, um dort die „Verfassung“ des Heilbronner Weges zu beurteilen. Uns voraus war ein Trupp aus mehreren „Schauflern“, die sich zum Ziel setzten, den noch vollends zugeschneiten Klettersteig Stück für Stück freizulegen. Über ein sehr steiles Schneefeld gelangten wir noch bis zum Einstieg des Steigs und grüßten die Schaufler, die wirklich Beachtliches und für unsereinen überaus Gefährliches vollzogen.
Doch auch wir wagten uns an eine große Herausforderung, die u.a. das Begehen in wegelosem Gelände auf Schnee und den Einsatz eines gegrabenen T-Ankers und entsprechender Seilsicherung mit der Prusik beinhaltete. Der wie bestellt hereinziehende Nebel stellte unsere Orientierungsfähigkeit auf die Probe und ließ uns erstmal hin und her laufen, bis wir uns schließlich steil bergab in Richtung Hütte, Wärme und Apfelstrudel bewegten. Doch mag die Tour auch überaus anspruchsvoll gewesen sein, so wurden wir mit einem Blick auf zahlreiche Murmeltiere, Gämsen mit Jungtieren und sogar Steinböcken belohnt! Wie schön! Wäre man oder frau eine Gämse, so ließe sich die ganze Materialkunde sparen. Diese bekamen wir aber in theoretischen und praktischen Einheiten noch mit an die Hand…Köpflschlingen einrichten, Wetter beurteilen, Position bestimmen, mit Karte und Kompass umgehen, erste Hilfe am Berg.
Auch an unserem letzten Tag war entgegen aller Voraussagen kein Wasser von oben zu spüren, nur nachts hatte es etwas Regen und üppiges Wetterleuchten gegeben. In Begleitung von rufenden Murmeltieren gingen wir nach unserer letzten Praxiseinheit im Schnee über den gleichen (Esels-)Weg zurück ins Tal und stärkten uns mit Buttermilch und Käse von der Sennalp.
Drei intensive Tage voller Lerninhalten, persönlich unterschiedlichsten Wagnissen, Erfolgserlebnissen und zwischen all der Anstrengung auch Genussmomenten, waren im Nu verflogen. Wir sind alle sehr dankbar für die Erfahrung und konnten viel für unsere weiteren Touren im Gebirge mitnehmen. Und vor so manchem Schneefeld haben wir nun keine Angst mehr. Doch immer dran denken: Fakten statt Einschätzungen!
Mira Klepfer