Nachdem in den zwei Theorieabenden im Sektionszentrum schon die ersten Grundlagen zu den Themen Alpine Gefahren, Lawinenkunde, Materialkunde, Umgang mit dem LVS-Gerät und Tourenplanung gelegt worden waren, starteten die meisten der sieben Teilnehmer sowie die Übungsleiterinnen Christiane, Julia und Tobias (ohne -innen) am Donnerstag Mittag in Richtung Prättigau. Ziel war das Hotel Rhätia in St. Antönien auf 1414m.
Am ersten Morgen lachte uns schon die Sonne entgegen. Herrliches Kaiserwetter und die Wettervorhersage für den Tag versprach keine Abweichung davon! Nach einem fantastischen Frühstück – keiner wird wohl je den Käse und die vielen, ausgefallenen Marmeladen Kirsche-Maronen, Kürbis-Orange, Holunder-Zwetschge (um nur wenige zu nennen) vergessen – und einer erneuten Überprüfung des Lawinenbulletins, das sich in der Gefahrenstufe vom Vortag mit 2 „mäßig“ auf 1 „gering“ verringert hatte, ging es aus der Theorie raus, rein in die Praxis. Schon beim Frühstück hatten wir einen hervorragenden Blick auf erste Fischmäuler, und im Laufe des Tages sollten wir auch zuvor abgegangene Gleitschneelawinen an den Hängen ausmachen können.
Zunächst mussten die ersten Materialhürden genommen werden! Ziehe ich die Felle nun vom Skiende zur Skispitze auf oder umgekehrt? Wie arretiere ich meine Teleskopskistöcke? Was mache ich mit den Plastikfetzen zwischen den Fellen? Gut, dass Christiane, Julia und Tobias immer ein Auge auf uns hatten, sonst hätte der eine oder die andere die Walk-Funktion am Stiefel vielleicht nicht entdeckt. Anschließend übten wir uns im Materialcheck. Hat jeder ein LVS-Gerät? Sonde? Schaufel? Ersatzbatterien? Wer hat ein Handy? Wer eine Karte? Wer ein 1. Hilfe Set? Wer einen Biwaksack? Rettungsdecke? Hat jeder Tee und Essen? Sonnenschutz? Ausreichend Kleidung? Erfolgreich bestanden, schulterten wir unsere Ski und machten die ersten Höhenmeter per pedes, um auf einer Wiese die hohe Schneeböschung an der Straße zu erklimmen. Dort angelangt, folgte der erste große LVS-Check. Alle sieben Teilnehmer (die einzige Teilnehmerin verzichtet dankenswerter Weise auf ihr „-in“) und Übungsleiterinnen (dafür wird Tobias mit einem „-in“ bereichert) stellten sich im Kreis auf und schalteten ihr LVS-Gerät auf „suchen“ – außer Julia, die auf Senden verblieb. Anschließend vice versa, liefen alle Teilnehmer mit auf „senden“ geschaltetem Gerät an einer „suchenden“ Julia vorbei. Sie fand jeden und jede. Nach dem Check machten sich die zwei Gruppen auf Richtung Spitzenbüel – mit 2193m unser Ziel für den Tag.
Nach den ersten 200 Höhenmetern beschäftigten sich beide Gruppen zunächst mit dem Gehen mit Fellen. Wir testeten verschiedene Steigungen im Gelände: bis zu welcher Steilheit können wir noch Kurven laufen? So bekamen wir das erste Gefühl für Ski, das Gehen mit Fellen und verschiedene Hangsteilheiten. Nach weiteren 50 Höhenmetern testeten wir das Gegenteil: das Fahren mit Fellen, wobei hier der frontale Schneekontakt in mindestens einem Fall nicht verhindert werden konnte. Um 11:30 Uhr meldete sich bei vielen der Magen. Da die Sonne lachte und Hütten zur Mittagspause einluden, sattelten wir auf ca. 1900m unsere Rucksäcke und Ski ab und … sanken tief in den Schnee. Nach der Stärkung mussten wir erstmals zur Tat schreiten und den praktischen Umgang mit dem LVS-Gerät proben. Gar nicht so leicht, alles aus der Theorie zu wissen und umzusetzen. Aber mit Unterstützung der Übungsleiterinnen konnte jeder das in der roten Tasche verstaute LVS-Gerät suchen und finden. Anschließend ging es die letzten 293 Höhenmeter auf unseren ersten gemeinsamen Gipfel: den Spitzenbüel.
Dort genossen wir die Aussicht auf Sulzfluh und Drusenfluh und runter auf St. Antönien. Nach schnellem ersten Abfellen und Verstauen der Felle, einem Schluck Tee und Stückchen Schokolade bzw. leckerem Kuchen, diskutierten wir kurz die zwei Abfahrtmöglichkeiten. Entweder entlang der Aufstiegsroute nach Süden oder zunächst nach Norden und Westen über Grosslaub nach Ronenegg. Wir entschieden uns für die Abfahrt entlang der Aufstiegsroute. Was für eine verdiente Abfahrt – der Spaß und die Freude war allen ins Gesicht geschrieben.
Nach einem verdienten 4-Gänge-Abendessen bekamen wir von Christiane, Julia und Tobias die Aufgabe, für denen morgigen Samstag eine Aufstiegsroute aufs Hasenflüeli (2411m) aus südlicher Richtung sowie eine Abfahrtsroute gen Norden zu planen. Gesagt, getan: In 2er-Gruppen zückten wir Handy für das Lawinenbulletin, Karte, Stift, Planzeiger und gingen eifrig ans Werk. Teure Wildruhezonen links (naja, rechts, also östlich) liegend lassend, sollte uns die Spur morgen bergan bringen. Nachdem jede Gruppe die Route mit den Übungsleiterinnen besprochen hatte, fielen wir erschöpft ins Bett.
Am zweiten Morgen starteten wir in leichtem Schneefall, nach LVS-Check versteht sich. Der Lawinenlagebericht hatte abends noch eine 2 vermeldet, morgens jedoch eine 3 mit Triebschneeproblematik oberhalb von 2200m und Gleitschneelawinen. Abwechselnd gingen wir Kursteilnehmer voran, erprobten uns im schätzten der Hangsteilheit, um sie dann mit Snowcard nachzumessen. Die Tour führte entlang des Alpbachs, das Gelände war steil und wir vergrößerten den Sicherheitsabstand. Nach Usmächli querten wir erneut den Alpbach und suchten uns eine schöne Stelle für eine Mittagspause. Nach Sandwiches, Äpfeln, Riegeln,einem (neidisch beäugten) Reis-mit-Chili-con-Carne und natürlich einer erneuten Piepssuche, ging es in den steilen Teil des Tages, die letzten 400 Höhenmeter zum Hasenflüeli. Die Sicht war schlecht. Zwar steckten wir nicht in den Wolken oder im Nebel, jedoch konnte man die Strukturen am Hang schwer erkennen. Weitestgehend nutzen wir eine bereits angelegte Spur im Hang, um später doch selbst zu spuren – natürlich unter Einsatz der geübten Spitzkehre. Mit kurzen Verschnauf- und Diskussionspausen erreichten wir das Skidepot kurz unterhalb des Gipfels – inzwischen hatte es auch etwas aufgemacht und die Sonne spitzte hervor. Die letzten 30 Höhenmeter legten beide Gruppen zu Fuß zurück: Steil bergan im Schnee und oben kurz ausgesetzt am Grat bis zum Gipfel. Auf dem Hasenflüeli (2411m) angekommen, hatte Julia eine Tafel Gipfelglück für die erste Gruppe parat. Ein Fest! (Unsere zweite Gruppe ging leider leer aus, aber nur was die Gipfelschokolade angeht, nicht was das Gipfelglück an sich betrifft). Nach vorsichtigem Abstieg fellten wir ab und traversierten nach Südosten Richtung „Bi den Nünzgen“. Da sich das Wetter und damit die Sicht wieder verschlechtert hatten, fuhren wir nach kurzem Gegenanstieg nach Nordnordost ab.. Herrlicher Schnee und herrliche, teils unverspurte Hänge warteten auf uns auf dem Weg nach Litzistafel. Im Tal fuhren wir ab Richtung St. Antönien. Unsere Blicke an die südexponierten Hänge, u.a. Richtung Spitzenbüel, offenbarte zahlreiche Gleitschneelawinen.
Der Abend verlief wie der zuvor: Nach dem Abendessen bekamen wir die Aufgabe, für denen morgigen Sonntag bei Lawinenstufe 2 eine Aufstiegs- sowie Abfahrtsroute auf den Eggberg (2201m) aus nördlicher Richtung mit Checkpoints- zu planen. Gesagt, getan: Wieder alle nötigen Utensilien zusammen und ans Werk! Teure Wildruhezonen für morgen rechts liegend lassend, sollte uns die Spur Richtung Schlangenstein bringen.
In neu gewürfelten Gruppen ging es Sonntag um 9 Uhr wieder bei Sonnenschein los. In den höheren Lagen sollte uns Triebschnee erwarten, in tieferen Lagen Gleitschneelawinen. Nach kleinem LVS-Check führte uns immer ein Teilnehmer Richtung Gipfel. Aber zunächst verkündete uns Tobias noch, dass wir bis 13 Uhr – unser Umkehrzeitpunkt - den Gipfel erreicht haben müssen, ansonsten müssten wir früher umkehren, da abends noch die Heimfahrt nach Karlsruhe anstand. Am ersten Checkpoint war die Entscheidung zwischen Straße und östlich der Straße über Freiflächen und durch den Wald schnell für abseits der Straße gefallen. Nachdem wir den Wald durchgangen hatten, ging es zunächst einmal Richtung Säss steiler voran. Wie man das Gelände optimal ausnutzt, darauf wurden wir häufiger von Tobias hingewiesen. In den letzten 2 Tagen geprobte Spitzkehren kamen vermehrt zum Einsatz. In Säss auf 1948m machte die erste Gruppe nach einer Mittagspause eine Mehrfach-Verschüttetensuche. Die zweite Gruppe pausierte nur kurz bei Speis & Trank und spurte sich den Weg zum Gipfel. Die letzten 250 Höhenmeter nochmals steiler voran mit Spitzkehren und gemäßigtem Tempo erreichten wir vor unserer Umkehrzeit den Gipfel des Eggbergs. Heute war Triebschnee deutlicher zu erkennen als gestern und Tobias demonstrierte mit dem Abtreten einiger Wechten die Auslösebereitschaft Die Route der Abfahrt wählten heute wir Teilnehmer, bis Tobias unsere Gruppe im Bereich der Säss-Hütte auf ein „großes Lawinenereignis mit zwei Verschütteten“ hinwies. Schnell fand sich jemand, der die Führung übernahm und den jeweiligen Gruppenmitgliedern ihre Aufgaben zuwies: „zwei starten die Suche“, Robin setzt den Notruf ab und zwei weitere bereiten schon mal Sonde und Schaufel vor, sodass die gefundenen Verschütteten auch ausgebuddelt werden konnten. Die restlichen Höhenmeter kamen wir zügig bergab, sodass wir im Tal noch unsere verschiedenen LVS-Geräte testen konnten, wie unterschiedlich früh (oder auch spät) sie in den verschiedenen koaxialen Koppellagen bzw. in der orthogonalen Koppellagen das Erstsignal empfangen.
Dank einer konditionell sehr homogenen Gruppe, tollen Übungsleiterinnen, keinen Blasen (echt nicht??) und keinen Materialausfällen (außer zwei niegelnagelneuen gebrochenen Stöcken, für die Christiane aber schnell für Ersatz bzw. on the spot Zusammenflicken sorgen konnte) schafften immer alle Teilnehmer beider Gruppen das jeweils täglich lockende Gipfelglück! Erschöpft aber glücklich traten wir die Heim- oder Weiterreise nach Karlsruhe, Stuttgart oder ins Montafon an und freuen uns, das erlernte und erprobte Wissen bei baldigen Touren anwenden und drauf aufbauen zu können und das vielleicht mit nun bekannten oder noch unbekannten Gesichtern.
Bis dahin!
Text: Ellen
Bilder: Patrick und Christiane