Wander- und/oder Klettertouren in den Alpen hatten wir - 8 Teilnehmer aus Karlsruhe - schon absolviert. Als nächstes wollten wir die Gletscher in Angriff nehmen und meldeten uns für den Hochtourenkurs bei Stefan Schöfer an, um das Grundwissen für Hochtouren zu erwerben.
Als er uns die Ausrüstungsliste, eine Broschüre zum Grundwissen Gletschertouren und eine Anleitung zur Spaltenbergung mailte, wurde klar: um Gletscher zu erobern, ist einiges an Equipment und technischem Know How erforderlich. Zum Glück konnten wir Steigeisen und Eispickel beim DAV ausleihen, aber die eine oder andere Shoppingtour hat wohl jeder noch hinter sich gebracht.
Angenehmerweise bietet das Taschachhaus einen Materialtransport an, sonst wäre schon der Aufstieg zur Hütte eine Herausforderung gewesen. So konnten wir am 2. Juli entspannt aufsteigen, in freudiger Erwartung, was auf uns zukommen würde. Der Gletscher hatte sich zu diesem Zeitpunkt noch hinter dichten Wolken versteckt, aber die Wetterprognose machte uns optimistisch, dass wir ihn bald im Sonnenschein betrachten könnten.
Nachdem wir unser Lager bezogen hatten, erkundeten wir das Taschachhaus und stellten fest, dass unsere Ausbildungshütte allen erdenklichen Komfort und eine exzellente Küche bietet. Sollte man etwas vergessen haben, kann man fast alles kaufen oder leihen, was man zum Überleben auf dem Gletscher braucht. Für die Frostbeulen gibt es sogar nachts eine Wärmflasche, und jeden Morgen kann man sich Tee für unterwegs abfüllen. Auch ein Kickertisch und eine Kletterhalle sind vorhanden, wobei wir abends allerdings abends nicht mehr in der Lage waren, noch körperlich aktiv zu werden. Einzig an der Brotschneidemaschine und beim Salatbuffet braucht man etwas Geduld, zumindest wenn gerade die Bundeswehr zur Ausbildung da ist. Nach dem Abendessen erklärte uns Stefan, was uns die nächsten Tage erwarten würde, und wir packten vor dem Schlafengehen noch unsere Rucksäcke, um am nächsten Tag früh morgens abmarschbereit zu sein.
Um kurz vor 6 klingelte der Wecker - wer den Gletscher erobern will, muss früh starten, da es später zunehmend nasser wird. Drei Stunden später standen wir - mit Gamaschen, Steigeisen, Eispickel und Helm ausgestattet - zum ersten Mal auf dem Eis. Nach ein paar Aufwärmübungen, um das Gefühl für die Steigeisen zu bekommen, ging es auch gleich als Seilschaft mitten auf den Gletscher. Dort trainierten wir verschiedene Techniken, in unterschiedlich steilem Gelände zu gehen, den Standplatzbau und die Sicherung mit Eisschrauben und das Abseilen mit Hilfe einer Sanduhr im Eis. Am frühen Nachmittag kam die Sonne heraus und uns schwirrte der Kopf - es war klar geworden, dass man für Hochtouren immer aufmerksam sein muss und sowohl dem Gletscher (wie lange hält eine Eisschraube? Hält die Schneebrücke in der Spalte?) als auch dem Seilschaftsführer vertrauen muss, der entscheidet, wo es langgeht. Glücklicherweise hatten wir nicht nur einen tollen Ausbilder, sondern auch die Gruppe harmonierte von Anfang an sehr gut, so dass wir uns gegenseitig unterstützten und uns Nachhilfe in Knotenkunde, Standplatzbau etc. gaben. Gegen 16 Uhr waren wir wieder beim Taschachhaus und hatten vor dem Abendessen noch Zeit für eine heiße Dusche und einen leckeren Apfelstrudel. Nach einem erneut sehr schmackhaften 4-Gänge-Menü erhielten wir noch eine Theorieeinheit zum Thema Tourenplanung. Für die am übernächsten Tag geplante Tour über den Urkundsattel einigten wir uns auf ca. 6,5 Stunden - dabei hatten wir aber, wie sich noch herausstellen sollte, die Gletscherkonstante vergessen.
Am Dienstag starteten wir erneut gegen 7:30 bei blauem Himmel und einem fantastischen Blick auf den Taschachferner und die umliegenden Berge in Richtung Gletscher. Dort suchten wir uns zunächst ein schönes Firnfeld mit möglichst wenig Steinen für die Spaltenbergungsübung. Sobald wir die Seilschaft aufgebaut hatten, ging es auch gleich los, und wir konnten am eigenen Körper spüren, dass es gar nicht so leicht ist, den Sturz eines Kameraden zu bremsen und das Körpergewicht dabei eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielt. Auch das Ein- und Ausgraben des Eispickels erfordert ein wenig Kraft und Ausdauer. Ein paar Rutschpartien und blaue Flecken später wanderten wir weiter zu einen steileren Firnfeld, um dort das Bremsen aus verschiedenen Positionen zu trainieren. Nachdem wir von der Rolle seitwärts bis zum Purzelbaum alles ausprobiert hatten, ging es wieder als Seilschaft in Richtung Gletscherbruch, allerdings mit einem kleinen Zwischenfall, da unser Ausbilder völlig unerwartet in eine Spalte stürzte ;-) Nachdem wir ihn gerettet hatten, konnten wir dann noch die Spaltenbergung im Eis durchgehen und kamen erneut gegen 16 Uhr wieder am Taschachhaus an. Bei Kaffee und Apfelstrudel konnten wir dann noch eine - leider nicht geübte - Hubschrauberrettung vom Gletscher beobachten, was uns deutlich machte, dass die Gefahren bei Hochtouren nicht unterschätzt werden sollten. Nach dem Abendessen gab es noch ein Briefing zum Thema Hoch- und Tiefdruckgebiete und dem frühzeitigen Erkennen von Wetterumschwüngen.
Am Mittwoch ging es bereits um 7 Uhr zu unserer Hochtour über den Urkundsattel los. Die Tour erwies sich als sehr abwechslungsreich: Bereits nach kurzer Zeit wurde der Gletscher so steil, dass wir uns mit Eisschrauben sichern mussten, diverse Spalten waren zu überqueren und der Seilschaftsführer musste eine Spur im frischen Firn legen. Ca. eine Stunde hinter unserem Zeitplan kamen wir alle am Urkundsattel an und genossen den Ausblick bei traumhaftem Wetter. Nach einer kurzen Stärkung machten wir uns an den Abstieg, der sich als unerwartet kompliziert herausstellen sollte. Nach kurzer Zeit wurde das Gelände so steil, dass Stefan sich fürs Abseilen entschied. Das ging jedoch dank seiner Erfahrung erstaunlich schnell. Zwei Seillängen und diverse Standplätze später standen wir alle wieder auf halbwegs festem Untergrund und traten den Rückweg zum Taschachhaus an, wo wir nach 9 Stunden, also etwas später als geplant, müde aber glücklich eintrafen. Immerhin hatten wir bis auf zwei kleine Zwischenfälle die Spalten erfolgreich umgangen und wissen jetzt, dass man bei der Hochtourenplanung etwas mehr Reserve einplanen muss, da sich der Gletscher ständig verändert, und man daher auch mit einer guten topografischen Karte immer auf Überraschungen gefasst sein muss.
Am nächsten Tag stand noch die Selbstrettung aus einer Spalte auf dem Programm. Ich persönlich war überrascht, dass das das hierfür benötigte Material (zwei Reepschnüre und drei Karabiner) und der Kraftaufwand überschaubar sind. Gegen Mittag waren wir wieder am Taschachhaus zum obligatorischen Liegestuhl-Abschlussfoto und einem leckeren Mittagsessen in der Sonne. Nach dem Abstieg zum Parkplatz ging es wieder zurück nach Karlsruhe, wo wir uns erst mal einen Tag Erholung gönnten.
Lieber Stefan, vielen Dank für Dein Engagement, den tollen und informativen Kurs und die schöne Zeit, die wir zusammen im Pitztal verbracht haben. Du hast uns immer möglichst viel selbständig machen lassen, gleichzeitig aber nie den Überblick verloren. Mir ist klar geworden, dass man für Hochtouren nicht nur wesentlich genauer planen muss, denn es ist ja kein fester Weg vorgegeben, sondern auch während der Tour sind deutlich mehr Aufmerksamkeit und Abstimmung innerhalb der Gruppe erforderlich. Ich denke wir haben alle viel gelernt und sind schon am Planen, welche Tour wir als nächstes in Angriff nehmen wollen.
Regine Seiler