Eigentlich wollten wir ja alle lieber Heli-Skiing machen, aber uns fehlte das passende Kleingeld und so landeten wir nicht in den pulverisierten Rockies in Kanada, sondern in einem DAV-Anfängerkurs (S2/12- 19.-22.1.2017) in einem verschlafenen Tal in der Schweiz. Mit Lawinenwarnstufe 3! Wo sollte das denn enden? Etwa begraben unter Massen von Schnee? Wohl kaum, denn eigentlich lag kaum Schnee und die Fischmäuler gähnten uns träge an.
Vier Tage, drei Nächte, zwei Hot Tubs, eine Lawine und haufenweise Bierrechnungen, die nicht stimmen konnten, später, wurde sogar dem allerletzten klar, dass Lawinen auch bei wenig Schnee abgehen können.
„Was geht‘n eigentlich ab?“ Der wenige Schnee und die verträumte Ruhe des Tals hatten uns während der ersten Tour wohl gewaltig getäuscht: Inmitten der Diskussion eines ungeplanten Checkpoints, ob wir den Pobel, Dobel oder Hobel-wieauchimmer durchqueren könnten, ging es auf Fingerzeig genau dort ab. Und nicht irgendeine fancy, Energydrink-gesponsorte Technoparty mit leicht bekleideten Skihasen, sondern eine waschechte Lawine natürlich, was ein Brett, der weiße Tod!
War das die Herausforderung des Tourenkurses? Der Endgegner etwa? Quatsch, alles Kindergarten, denn nun schlug die Stunde der Lawinenkundelehrmeister. Wir wurden in die hohe Kunst der Skistock-Trigonometrie eingeführt (Anm. der Redaktion: Damit eine Lawine (Schneebrett) abgleiten kann sind 3 Faktoren relevant: 1. Steilheit (je mehr desto risikoreicher), 2. Schwachschicht in der Schneedecke und 3. Zusatzbelastung – im Folgenden wird der erste Faktor näher erörtert.)
Man nehme zwei Skistöcke, suche sich ein schönes Stück Steilhang mit einer ordentlichen Prise Powder, und fasse beide Stöcke am Bändel, Schlaufe, whatever. Einer der beiden Skistöcke (1) wird nun mit der Spitze in den Schnee gerammt. Geht jetzt keine Lawine ab, kann man beruhigt die Warnstufe 5 ausschließen. Nun werden die Skistöcke an den Griffen langsam hangabwärts geschwenkt, wobei weiterhin der erste Skistock (1) im Schnee stecken bleiben soll. Dies fährt man so lange fort, bis auch der zweite Skistock (2) im Schnee steckt, und zwar ausgelotet. Erster Skistock (1) wird nun fallen gelassen, dabei muss die Spitze weiterhin stecken bleiben. Löst die Wucht des Aufpralls eine Lawine aus, haben wir Lawinenwarnstufe 4 vorliegen. Saust der Skistock in’s Tal runter, haben wir mehr als 60° Steigung. Geil! Jetzt empfiehlt es sich, den obligatorischen dritten Skistock (3) für den weiteren Aufstieg aus dem Rucksack zu holen oder das Board unter die Boots zu schnallen. Berührt allerding der Griff des ersten Skistocks (1) die Spitze des anderen Skistocks (2) – Heureka – ist das magische Dreieck gefunden! Alle Seiten equal. Alles 60°, nice, denn das bedeutet smoothe dreißig Grad Hangneigung. Steil! Man kann sich auf einen gemütlichen Ritt freuen. Verfehlen sich beide Skistöcke (1 und 2) und liegen über Kreuz im Schnee, befinden wir uns auf einem Golfplatz oder in Dubai in der Skihalle. Es muss sich also um eine Warnstufe zwischen eins und zwei handeln. Ach ja, und weniger als 30° Neigung.
Die restlichen drei Tage verliefen ohne nennenswerte Zwischenfelle. Die Sonne brannte runter wie in der Sierra Nevada. Im Schatten froren wir wie‘n Eskimo in Alaska. Wir powderten was das Material hergab, und zogen etliche Lines aus Schnee bergab. Und wir hatten was dazugelernt: Steiler ist geiler! Oder gar, steilst ist geilst?!
Georg Schwab und Simon Frettlöh