Erste Veranstaltung der Sektion Karlsruhe für Schneeschuh-Bergsteiger/innen mit Erik Müller
Am 08.12.2016, und vom 13.-15.01.2017 nahmen sechs Teilnehmer unter der Leitung von Erik Müller an der Veranstaltung „Schneeschuhtouren mit Kurscharakter“ teil. Es war die erste Veranstaltung dieser Art überhaupt in unserer Sektion. Konzeptionell steht dabei nicht allein das Naturerlebnis in den Bergen im Vordergrund, sondern auch die verantwortungsvolle Tourenplanung mit dem Ziel, Lawinenunfälle zu vermeiden.
Vorbereitungstreffen am 08. Dezember 2016: Sarah, Jeannine, Rosa, Mario, Achim, Steven und Thomas kommen zum Vorbereitungsabend im DAV-Kletterzentrum zusammen. Nach einer kurzen Kennlernrunde gibt Erik einen ersten Einblick in Lawinenkunde.
Er lehrt uns, wie wir mit Hilfe von Lawinenlageberichten (LLB), „qualifiziertem Kartenlesen“, Snowcard, etc. Lawinengefahr einschätzen, und daraus entsprechendes Verhalten im Gelände ableiten können. Dabei geht es vor allem darum, gefährliche Bereiche zu meiden, und gefährliche Situationen möglichst erst gar nicht entstehen zu lassen. Wir lernen auch, dass die Tourenplanung bereits zu Hause beginnt, jedoch die Entscheidung, ob eine Tour oder ein Wegabschnitt wirklich sicher ist, nur im Gelände vor Ort getroffen werden kann. Des Weiteren erfahren wir, wie man mit Hilfe von Suchgerät, Sonde und Schaufel Lawinenopfer schnell orten und befreien kann.
So auf das Tourenwochenende eingestimmt, treffen wir uns am Freitag, dem 13. Januar 2017 um 13 Uhr am Stadtmobil-Parkplatz am alten Schlachthof. Von hier aus treten wir gemeinsam die Fahrt nach Fischen im Allgäu an. Leider sind wir schon leicht dezimiert, Steven hatte sich eine Verletzung eingefangen, und musste kurzfristig absagen. Ansonsten ist dieser Freitag der 13. aber eher ein Glückstag für uns, denn nach gut 4 Stunden sind wir – Pausen und Käsekaufen im Hofladen inklusive – schon am Ziel. Im Allgäu hatte es unterdessen schon heftig angefangen zu schneien. Nach dem Abendessen die Planung für den ersten Tourentag: „Haben alle den aktuellen LLB studiert?“. Blick auf die Landkarte: „Welche Gebiete kommen in Frage?“, „Wo sind lawinengefährdete Zonen?“, „Wo würde der Weg über steiles oder sehr steiles Gelände, oder durch potentielle Lawinenauslaufzonen verlaufen?“ „Wo sind Kontrollpunkte, an denen wir die Situation vor Ort bewerten müssen, um gegebenenfalls die Planung den Bedingungen anzupassen, z.B. die Tour abzukürzen?“. Gerätecheck: „Sind alle Suchgeräte aufgeladen, und funktionieren sie im Such- und Sendemodus?“ Um 22.30 Uhr ist Bettruhe angeordnet, denn am nächsten Morgen gibt es schon um 7:15 Uhr Frühstück.
14. Januar 2017: Der erste Blick aus dem Fenster am Samstagmorgen: 40cm Neuschnee seit Ankunft gestern Abend, und weiterhin kräftiger Schneefall. Die Radiosprecherin von Antenne Bayern empfiehlt: „Heute lieber zu Hause bleiben!“. Hallo? Das sehen wir aber ganz anders! Schließlich sind wir top vorbereitet. Der Neuschnee ist für uns eine gute Nachricht, womöglich hätten wir sonst über kahle Hänge laufen müssen ... Und was wäre aus unseren Suchübungen geworden? – Mit dem Öffi-Bus geht es hinauf zum Riedbergpaß auf 1407m – Schneekettenpflicht! Oben Wind und dichtes Schneetreiben. Gerätecheck – los geht’s. Von Beginn an ist ordentlich Spurarbeit zu leisten, durch den hier noch lediglich knietiefen, frischen Pulverschnee. Zwischen den Bäumen des ersten Tourenabschnitts lässt der Wind merklich nach. Gute Bedingungen, um in einem etwas flacheren Bereich unsere erste Suchübung durchzuführen. „Da oben, ein Skifahrer! Was ist das? Eine Lawine, der Skifahrer ist drin! Ich sehe ihn noch, jetzt ist er verschüttet. Ganz hier in der Nähe muss er sein!“ – Nacheinander darf jeder einzelne von uns, ausgestattet mit Suchgerät und Sonde, den vergrabenen Rucksack suchen. Auf Geschwindigkeit kommt es hierbei auch an, nach 15 Minuten sind die Überlebenschancen des Verschütteten mit 90% noch recht gut, danach gehen sie rapide zurück.
Durch die märchenhaft verschneite Landschaft setzen wir unseren Weg zum Riedberger Horn (1787m) fort. Dort ist die erste Überschreitung des Tages geplant. Ab 1600m verläuft der Weg zum Gipfel über einen Grat. Der Wind nimmt wieder deutlich zu, und es schneit unaufhörlich. Eine Spur weist uns auf den ersten paar 100m den Weg, aber verläuft sich dann plötzlich. Nun fängt das Abenteuer richtig an! Meter für Meter kämpfen wir uns durch zeitweise hüfttiefen Schnee den steilen Grat langsam nach oben. Auch die Trainierteren unter uns bringt das an ihre Grenzen, und wir müssen uns in kurzen Intervallen mit der Spurarbeit abwechseln. In Gipfelnähe können wir zum Glück über abgewehtes Gelände gehen, und uns wieder ein bisschen erholen. Der Aufenthalt oben ist nur sehr kurz, und reicht für kaum mehr als das Gipfelfoto. Der eisige Wind fegt scharf über die Kuppe hinweg, und hat bizarre, zig Zentimeter lange Eiskristalle ans Gipfelkreuz und die Wegweiser wachsen lassen. Schnell steigen wir über den steilen Ostgrat ab, und befinden uns nach wenigen Hundert Metern im Windschatten des Berges. Gute Bedingungen für unsere Mittagspause, mit heißem Tee und einer kurzen Vesper im Stehen.
Bei unserer Tourenplanung hatten wir verschiedene Kontrollpunkte festgelegt, einen davon hier. Wie wollen wir die Tour von hier aus fortsetzen? Nicht einmal ein Drittel der geplanten Strecke haben wir nach fast zwei Drittel der Zeit zurückgelegt. Mit der nächsten Überschreitung am Großen Ochsenkopf (1662m) entfernen wir uns nochmals weiter vom nächst möglichen Zielpunkt der Tour. Dabei erwarten uns ziemlich sicher ähnliche Bedingungen wie beim ersten Aufstieg. Schnell ist klar: Das ist heute nicht mehr zu schaffen! Wir wählen stattdessen eine Route, die uns über die Obere Mittelalpe (1384m) zurück zum Riedbergpaß führt. Der Abstieg ist purer Genuß! Der Schneefall hat etwas nachgelassen, und in überwiegend mäßig steilem, licht bewaldetem Gelände geht es durch tiefen, unberührten Schnee hinab zur Alpe, und von dort über den Wirtschaftsweg zurück zum Ausgangspunkt. Auch vom Timing her haben wir Glück. Der Linienbus zurück nach Fischen steht wie bestellt zur Abfahrt bereit, und lässt uns gerade noch genug Zeit zum Abschnallen und Einsteigen. Müde und zufrieden erreichen wir gegen 17:00 Uhr wieder unser Quartier. Trotz der Abkürzung hat uns dieser intensive Tag doch mehr Kraft gekostet als gedacht. Mit der Planung der morgigen Tour nach eingeübter Routine neigt sich der Tag.
15. Januar 2017: Wir haben uns für eine Tour im Kleinwalsertal von Hirschegg (1122m) zur Kuhgehrenspitze (1910m) entscheiden. Heute geht’s mit unserem eigenen Bus zum Startpunkt. Die Schneelage ist nahezu wie gestern, aber ansonsten sind die Bedingungen in allen Belangen viel freundlicher. Größtenteils ist die Sicht sehr gut, über weite Strecken scheint die Sonne. Spurarbeit brauchen wir heute nicht zu leisten, das haben mehrere Skitourengruppen schon für uns erledigt. So reicht die Zeit bequem aus, um nach einer weiteren Lawinensuch-Übung am späten Vormittag den Gipfel zu erreichen. Über Mittag zieht sich der Himmel wieder zu, und es schneit ganz leicht. Aber kurz vor 14:30 Uhr, auf den letzten Metern zur Spitze, kommt die Sonne wieder hervor. So können wir den 360°-Blick diesmal rundum genießen.
Auch dass sich manche Ski- und Schneeschuh-Bergsteiger nicht in allen Belangen völlig grün sind, erfahren wir heute. Die Frage wird aufgeworfen vom Führer einer Skitourengruppe: „Dürfen Schneeschuh-Bergsteiger Skispuren „kaputt“ treten?“ Erik hat dazu eine klare Meinung: „Wem die Spur nicht gefällt der macht sich eine neue. Und gestern am Riedberger Horn sind die nachfolgenden Skitourengruppen auch lieber in unserer Spur gelaufen“.
In diesem Sinne freuen wir uns alle sehr auf’s nächste Mal. Allein mit Freunden, oder gerne auch wieder in der Gruppe. Mir hat das Schneeschuh-Bergsteigen auch vorher schon sehr viel Spaß gemacht. Aber seit diesem Wochenende werde ich mich dabei auf jeden Fall sicherer in winterlichen Berglandschaften bewegen. Meine neu erworbenen Kenntnisse werde ich dann in die Vorbereitung der nächsten Touren einfließen lassen. Und ob ich nochmals ohne Suchgerät, Sonde und Schaufel ins steile Gelände los marschiere? Eher nicht!
Wir, die Teilnehmer der ersten „Schneeschuhtouren mit Kurscharakter“ freuen uns, wenn diese Veranstaltung wiederholt bzw. fortgeführt, und das Angebot für Schneeschuh-Veranstaltungen in der Sektion insgesamt ausgeweitet wird. Schneeschuh-Bergsteigen ist eine Form des Bergsteigens im Winter, die auch derjenige praktizieren kann, der das Skifahren im freien Gelände nicht beherrscht. Das trifft außer Erik, der sich in manchen Momenten sicher seine Ski unter den Füßen gewünscht hätte, auf uns alle zu. Und wir vermuten, dass wir damit nicht ganz allein sind ...
Thomas Donner
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