Unser Tourenleiter Ansgar hatte eine „einsame Hochtour mit Biwakschachtel in den Berner Alpen“ in „Karlsruhe Alpin“ ausgeschrieben, und entsprechend hochmotiviert starteten wir – Jakob, Jeannine, Merlin, Rainer und Sarah – ganz früh am Morgen des 18. Juli von Karlsruhe aus in Richtung Schweiz. Dank dem Autoverlad Lötschbergtunnel erreichten wir schon um 10 Uhr Blatten (oberhalb von Brig im Rhonetal, 1300 m), wo wir auf Fabian, Ansgar und unseren zweiten Tourenleiter, Jonas vom SAC, trafen. Damit war unsere Gruppe komplett, und nach den üblichen Umpackaktionen trug uns die Seilbahn hoch zur Belalp (2094 m).
Von dort aus ging es mit Blick auf den Aletschgletscher am Hotel Belalp vorbei und an der Ostflanke des Sparrhorns entlang bis an den vom Schmelzwasser des Oberaletschgletschers gespeisten wild tosenden Bach, den wir auf einer recht spektakulären Hängebrücke überquerten (2127 m). Von dort aus begann der zunehmend steiler werdende Aufstieg zum Fusshornbiwak (SAC, 2788 m, etwa 4 Stunden Gehzeit von der Belalp).
Das Fusshornbiwak steht wirklich ganz einsam in einem Block- und Schuttfeld unterhalb des Westrands des Driestgletschers und im Schatten der wild gezackten Fusshörner. Es handelt sich um eine kleine gemütliche Holzhütte, die bis zu 12 Personen Platz bietet und als Ausgangspunkt für die Besteigung des Grossen Fusshorns, für die Traversierung aller 13 Fusshörner und eben für die Besteigung des Geisshorns dient. Über der Gegend schwebt auch der Geist Edward Whympers, des Erstbesteigers des Matterhorns, der vor seiner legendären Matterhorntour einige der Fusshörner erstieg.
Wir machten es uns im Biwak gemütlich, Jonas kochte auf dem von uns mitgebrachten Benzinkocher einen Topf Tee nach dem anderen , so dass wir unsere Flüssigkeitsspeicher wieder auffüllen und auch schon die Trinkflaschen für den Gipfeltag füllen konnten. Geradezu Wellness-Charakter erreichte der Aufenthalt in dem Biwak, als Jonas zu Butterkeksen „Indischen Sommertee“ kredenzte. Am späten Nachmittag rief dann allerdings die Pflicht: Ansgar wiederholte mit uns vor der Hütte gründlich die Technik der Spaltenbergung, und danach studierten wir von einem Schotterhügel herab aufmerksam das nicht unschwierige Gelände, das wir in der Dämmerung des kommenden Morgens zu durchqueren hatten, um auf den Driestgletscher zu gelangen. Am Abend ließen wir uns am Hüttentisch zu einem gemütlichen Spaghetti-Essen nieder. Auch hier wurde mindestes Zwei-Sterne-Komfort erreicht, gab es doch wahlweise die Sauce „Pesto rosso“ oder „Pesto verde“. Mit Einbruch der Nacht legten wir uns ins Lager, und schliefen in der Hoffnung ein, dass das Gewitter, das noch während des Essens mit einigen mächtigen Donnerschlägen und starkem Regen eingesetzt hatte, sich bis zum Morgen ausgetobt haben würde.
Am nächsten Morgen brachen wir nach kurzem Frühstück und bei wieder sehr gutem Wetter kurz nach 5 Uhr auf und bewegten uns in dem Block- und Schottergelände westlich des Biwaks auf eine Gletscherzunge des südöstlichen Driestgletschers zu. Dank der wirklich souveränen Routenfindung Ansgars und Jonas’ erreichten wir nach 1,5 Stunden (unter anderem musste ein recht breiter Bach gequert werden) den spaltenreichen, aber stark ausgeaperten Driestgletscher. In zwei Viererseilschaften steuerten wir die markante Lücke (3130 m) des Geissgrates an, der den östlichen Driestgletscher vom westlichen Zenbächengletscher trennt. Nach kurzem, aber steilem Abstieg von der Geissgratlücke über allerlei bewegliches Gestein erreichten wir dann den Zenbächengletscher. Auf diesem stiegen wir – wieder in zwei Viererseilschaften – steil und in etwa parallel zum Geissgrat Richtung Geisshorn auf. Im Gegensatz zum Driestgletscher tarnte der Zenbächengletscher seine Spalten unter einer geschlossenen Schneedecke, die trotz der frühen Morgenstunde bereits stark aufgeweicht war. Wir bewegten uns daher ohne Steigeisen fort, wobei uns allen Ansgars unermüdlich Spurarbeit sehr von Nutzen war. Unser Blick ging angesichts der schweißtreibenden Temperaturen immer sehnsuchtvoll nach oben, wo sich hinter einer Schneekante das zwischen Geisshorn und Sattelhorn gelegen flache Hochplateau verbarg. Dort oben angelangt, wurden wir mit einem ersten Blick auf den Gipfel des mächtigen Aletschhorns belohnt, andererseits warfen wir aber auch etwas besorgte Blicke auf den Gipfelanstieg des Geisshorns. Hier galt es nämlich noch einen ordentlich steilen Firnhang zu meisten, und erst danach konnte der kurze zum Gipfel führende felsige Nordostgrat des Geisshorns betreten werden. Da bei einem Sturz einer Seilschaft auf dem Firnfeld ein Fall bis auf den Driestgletscher herab nicht ausgeschlossen war, legten Ansgar und Jonas in Windeseile ein Fixseil und jeweils mit einer Prusikschlinge gesichert überwanden dann alle Teilnehmer(innen) der Ausfahrt die letzten entscheidenden 60 Höhenmeter und erreichten kurz vor 10 Uhr glücklich den Gipfel des Geisshorns (3740 m). Uns belohnte ein wunderbarer Rundblick, der von Aletschhorn, Mönch und Eiger über Finsteraarhorn, Weismiess, Albhubel und Dom bis hin zu Monte Rosa, Matterhorn und Weisshorn reichte. Wenn wir eine Frage nach dem Namen eines Gipfels hatten, konnten wir nicht nur von Ansgar oder Jonas Auskunft erhalten, sondern auch vom gerade einmal 17 Jahre alten Jakob, der nicht nur schon 4000er-Erfahrung hatte, sondern auch die Schweizer Bergwelt wie seine Westentasche zu kennen scheint.
Nach dem Gipfelglück kam der nun wirklich sehr lange Abstieg bis zur Belalp. Auf dem Zenbächengletscher, der zu dieser Tageszeit mit großer Vorsicht begangen werden sollte, sanken wir gelegentlich knietief in den Schnee ein, und der Bach, den wir am Morgen nicht ohne Mühe gequert hatten, war jetzt noch breiter geworden und wir mussten erst einmal nach einer Stelle suchen, wo eine Durchquerung ohne Risiko möglich war. Dennoch erreichten wir wie geplant zwischen 13 und 14 Uhr das Biwak, wo wir uns eine ordentliche Brotzeit mit Käse, Salami, Brot und wieder ganz viel Tee einverleibten, denn wir hatten viel Appetit und ganz wenig Lust, die noch verbliebenen Lebensmittel ins Tal zu tragen. Danach galt es noch, das Geschirr zu spülen, aufzuräumen und zu fegen, damit die Seilschaften nach uns dieselbe gastliche Hütte vorfinden würden, wie wir das getan hatten. Um 18.30 Uhr kamen wir nach allerhand Gegenanstiegen (die wir am Vortag scheinbar noch nicht da gewesen waren) wieder an der Bergstation der Seilbahn Belalp an. Hier ließen wir unsere wirklich wunderschöne Tour im Restaurant „Bergstation“ ausklingen. Dies übrigens wieder bei Gewitter, doch die ersten Regentropfen hatten erneut höflich abgewartet, bis wir uns in der Gaststätte niedergelassen hatten, bevor sie vom Himmel herabfielen. Unten in Blatten trennten wir uns wieder: Während Fabian, Ansgar und Jonas sich nach Bern aufmachten, fuhren Jakob, Jeannine, Merlin, Rainer und Sarah direkt nach Karlsruhe zurück, das um 1 Uhr nachts erreicht wurde.
Unseren Tourenleitern Ansgar und Jonas sei nochmals herzlich gedankt: für die Planung einer Bergfahrt auf einen wenig bekannten Berg, für die tolle Organisation, die sehr umsichtige Tourenleitung und für das höchst angenehme menschliche Miteinander. Die Ausfahrt mit Euch war einfach nur super!
Fabian, Jakob, Jeannine, Merlin, Rainer, Sarah