Endlich war es wieder soweit, die Grauen Griffe waren wieder im wunderschönen Klettergebiet El Chorro in Andalusien unterwegs: Kalksteinwände, Kletterrouten und Mehrseillängentouren für jeden Geschmack und in jedem Schwierigkeitsgrad, Sonne und ein Hauch von Wind sowie der allgegenwärtige Duft von Thymian machten diesen Kletterausflug zu einem unvergesslichen Erlebnis.
Los ging es früh morgens, eigentlich war es eher noch nachts, auf zum Flughafen, zum Einchecken und durch den Security-Check. Dort verlief alles reibungslos, jeder und jedem war es gelungen die Kletterausrüstung auf maximal 20kg zu komprimieren. Die Schwierigkeit, dass eines der Handgepäckstücke die vorgegebenen Maße etwas sprengte, konnte auch souverän gelöst werden.
Dann ging es auch schon los, hoch in die Luft, über die Pyrenäen hinweg, zurück auf den Boden am Flughafen von Málaga. Hier sollte uns nun ein Shuttle zu unseren Mietwagen bringen, doch die Suche nach dem Abfahrtsort entpuppte sich schnell als erste kleine Schnitzeljagd: Wir erfuhren, dass man den Flughafen angeblich quasi über Nacht umgebaut hätte und daher aus einem „Bitte gehen Sie nach rechts“ ein „Bitte gehen Sie nach links“ geworden sei. Nachdem auch dieses Rätsel erfolgreich gelöst wurde, gab es bei der Autovermietung sogar ein kleines Upgrade.
Ganz und gar vergessen war dann das frühe Aufstehen bei Ankunft in unserer atemberaubend schönen Villa auf einem Berg direkt hinter dem Valle de Abdalajís. Das sollte für die nächsten Tage unser zu Hause sein: die Loma la Parra. Eine Villa mit weiß getünchten Wänden, terrakottafarbenen Ziegeln und zwei Türmen, einem hohen und einem etwas niedrigeren (der niedrigere würde sich später noch für einige Köpfe als nicht zu unterschätzende Gefahrenquelle herausstellen, während die Hintergründe dieser architektonischen Entscheidung ein Mysterium bleiben würden).
Man ging in die Villa hinein, lief durch das überaus großzügige Wohnzimmer hindurch und trat auf die Terrasse, von der aus man in einen wunderschönen Garten mit Oleandern, Geranien, einem Pfefferbaum, Palmen und Olivenbäumen, mediterranen Säulen und Amphoren, einem kleinen Springbrunnen und einem riesigen Pool blickte, an dessen Grund ein Delphin aus Mosaiksteinchen schwamm. Direkt dahinter erstreckten sich die Berge, unten im Tal die weißen Häuser der kleinen Stadt Valle de Abdalajís. Ein Ausblick mit dem sich das Gefühl von Urlaub sofort einstellte.
Natürlich ging es dann auch gleich schon los, auf an den Fels zur ersten spanischen Tour in diesem Jahr, zur Roca Bella (oder, wie sie von manch einem Grauen Griff genannt wurde, zur Roca Bea). Bei strahlendem Sonnenschein konnte man hier neben Touren wie „Spaghetti Carbonara“ und „Solomillo“ (Filetsteak) auch Routen mit etwas repräsentativerem Namen wie „Aceitunas andaluces“ (Andalusische Oliven) erklettern. Erfahrenen Battert-Kletterern fiel sofort eines auf: die Routen sind überaus gut abgesichert.
Danach machten wir noch einen kurzen Abstecher auf die Terrasse des süßen kleinen Cafés am Bahnhof in El Chorro. Und wenn einen der Flair Spaniens nicht schon davor erwischt hatte, so war man spätestens jetzt bei einer eiskalten Fanta Naranja komplett in den Bergen Andalusiens angekommen.
Zurück in der Villa wurde am Abend die wunderbare Küche mit ihrer Kochinsel sowie der Barbecue im Garten eingeweiht. Es wurde Brennholz gesammelt, das Feuer gekonnt entfacht. Kurz darauf landeten mediterran gewürzte Doraden und Wolfsbarsch auf dem Grill und anschließend auf den Tellern. Ein kleines Festmahl zum Abschluss eines gelungenen ersten Tages, bei dem man sich kaum vorstellen konnte, dass man morgens noch im 2.000 km entfernten Karlsruhe aufgestanden war.
Die nächsten Tage standen dem ersten in nichts nach. Bereits das Frühstück war jeden Morgen absolut beeindruckend. Es gab frische Brötchen und eine vielfältige Auswahl an Essen, die es ermöglichte, zum Start in den Tag mal ein pan con tomate mit Olivenöl zu probieren, mal ein leckeres Müsli mit Aprikosen und Weinbergpfirsichen zu verputzen.
Am zweiten Tag stand unsere erste Mehrseillängentour an, die Three-Sixty in Corral East mit sechs Seillängen. Bei strahlendem Sonnenschein kletterten die Grauen Griffe am aufgewärmten Kalksteinfels und genossen oben angekommen die wunderbare Aussicht in die Ebene, die trotz der Wärme und der Jahreszeit doch noch erstaunlich grün wirkte. Nach einem leckeren Sandwich und dem obligatorischen Eintrag ins Gipfelbuch ging es wieder an den Abstieg. Nach dieser erfolgreichen Tour ließen wir uns am Nachmittag entspannt treiben, manche direkt auf dem Wasser im Pool, andere zunächst noch beim Erkunden der Gegend.
Auf unserem weiteren Kletterprogramm standen noch die Escalera Árabe und Suiza sowie La Serena. Ein absolutes Highlight war die Blue Line, eine atemberaubende Mehrseillängentour mit 12 Seillängen bis zu einem Schwierigkeitsgrad von 5c, 350 Meter Hinaufklettern in den blauen Himmel (an den sich an dem Tag glücklicherweise zwei, drei kleine Wölkchen verirrt hatten).
Nicht fehlen durfte natürlich ein Ausflug zum Caminito del Rey. Dieser Königspfad war bis 2015 ein drei Kilometer langer und sehr anspruchsvoller Klettersteig, der in etwa 100 Metern Höhe entlang steiler Wände durch tiefe Schluchten führt. Er wurde errichtet als das Stauwerk des Stausees El Conde de Guadalhorce gebaut wurde, damit die Arbeiter an ihren Arbeitsplatz gelangen konnten. Heute ist der Caminito für Touristen gut ausgebaut und – im Gegensatz zu früher – gefahrlos nutzbar. Natürlich geht dadurch der ursprüngliche Charakter als abenteuerlicher Klettersteig verloren. Und trotzdem hat sich der Besuch der eindrücklichen Schlucht, auf Stegen durch deren Plankenschlitze man noch die alten rostigen Stahlträger und abgebrochene Betonplatten erblicken konnte, auf jeden Fall gelohnt.
Um die Vielfalt an Eindrücken und Erlebnissen noch abzurunden, stand für manche noch ein Besuch der ca. 60 km südlich gelegenen Stadt Málaga sowie ein Sprung in das (zugegebenermaßen noch relativ frische) Mittelmeer auf dem Programm. Im Anschluss ging es zum UNESCO-Weltkulturerbe der Dolmenstätten von Antequera, wo sich uns interessante Fragen stellten: Wurde der Dolmen tatsächlich als Grabstätte genutzt? Warum weicht seine Ausrichtung von der sonst üblichen ab? Wie kam es dazu, dass auf dem Gipfel des Berges ein ca. 20 Meter tiefer Brunnenschacht ohne nennenswertes Werkzeug in den steinernen Untergrund geschlagen wurde?
Begleitet wurde unsere Woche in Andalusien von einem scheinbar perfekt abgestimmten kulinarischen Gesamtkonzept, wobei der abendliche Speiseplan in Wirklichkeit einfach auf spontanen Anregungen und Wünschen beruhte. Es gab mediterranes Gemüse, eigens gesammelten frischen Thymian, eine (größtenteils stilechte) Paella mit Sangría, Chili sin Carne und zwei wunderbare Grillabende.
Nicht zuletzt dank der wunderbaren Organisation erlebten die Grauen Griffe eine traumhafte Woche voller wunderbarer Erlebnisse und schon jetzt stellt sich die Frage: Wann geht es wieder los nach El Chorro?
Ines