Eine ruhige Fahrt lag vor uns. Im Zillertal nahmen wir die Schluchtenstrecke. Die Straße führte durch den Harpfnerwandtunnel,eine durch Ampeln geregelte einspurige Strecke. Die Wände sind roh behauen, kein Mauerwerk. Beachtliche Arbeit. Ginzling, das Bergsteigerdorf war unser Ziel. Hier bezogen wir inmitten imposanter Hochgebigskulisse im Leitenhof, direkt am Zemmbach gelegen, unser Quartier. Am Abend wiegte uns das Rauschen des Bachs in den Schlaf.
Erwacht sind wir bei Regen. Was tun? Da bietet sich doch ein Besuch im Naturparkhaus an. Auf interessante Weise wurden wir mit der Flora und Fauna der Bergwelt bekannt gemacht. In kleinen Filmen erzählten einheimische Bauern aus ihrem Leben, das in früherer Zeit nicht einfach war. Harte Arbeit war ihr Alltag. Bei einigermaßen trockenem Wetter machten wir uns danach auf, um Mayrhofen zu erreichen. Auf und ab, teilweise recht anspruchsvoll führte uns der Weg am Zemmbach entlang. Über nasse Stege, an imposanten Wasserfällen vorbei, dann wieder über nasses Gras. Da hieß es aufpassen. Nach einem Einkehrschwung nahmen wir den Bus zurück.
Am Folgetag wanderten wir zum Breitlaner. Dann wurde es heftig. Wir stiegen zum Schlegeissee auf. Vor ein paar Wochen waren einige der Wandersleut im Rahmen unserer Alpenüberquerung mit Hermann mit dem Bus zum See gefahren. Jetzt sollten wir den Fußweg kennenlernen, ein schweißtreibender Aufstieg. Ab und zu kühlte ein Regenschauer uns ab.
Damit nicht genug. Wir verpassten irgendwann ein Wegschild und landeten auf der Straße, und somit in einem Autotunnel. Ein interessantes Erlebnis. Autos fuhren nicht viele, aber Kuhfladen pflasterten den Straßenbelag. So musste der eine oder andere Wanderer in einer Pfütze seine Schuhe reinigen. Was macht das schon? Wir genossen das traumhafte Panorama am See. Im Dumenukushaus kehrten wir zu Süppchen, Kuchen, Kaffee und Kaltgetränken ein. Hier wurden bei Fritz Erinnerungen wach. Vor vielen Jahren hat er bei einer Alpenüberquerung im Gastraum auf einer harten Bank übernachtet. Die Zimmer waren alle belegt. Heute erzählte er es mit einem Lächeln. Mit dem Bus fuhren wir bequem zurück zum Leitenhof. Ein gemütlicher Abend schloss sich an.
Das Furtschagl-Haus (2295 NN) war unser Ziel am folgenden Tag. Die Autos parkten wir am Schlegeissee und machten uns auf den Weg. Es war neblig und man konnte nur ahnen wo sich der See befand. Das Rauschen seines Zulaufs war gewaltig jedoch nicht sichtbar. Der Weg bequem, breit und wenig steil. Wir waren guter Dinge und die Stimmung gut. Dann wurde es still in unserer Gruppe. Es begann ein gewaltiger Aufstieg bei trüber Sicht. Der Nebel hatte sich am Berg regelrecht festgekrallt. Im Gänsemarsch kletterten wir von Felsbrocken zu Felsbrocken. Es wollte kein Ende nehmen. Wir müssen doch bald das Haus erreichen. Wo ist es nur? Und da standen wir plötzlich vor ihm als seien wir durch einen Vorhang gegangen.
Wir waren nass und durchgefroren. Der Wirt hatte tüchtig eingeheizt und die Suppe war heiß. Die Lebensgeister erwachten wieder. Nur der Gedanke, dass wir diesen nassen, steilen Weg wieder runter gehen müssen, ließ uns ein wenig frösteln. Wir sind sicher runter gekommen, wenn auch langsam. Fritz war heilfroh. Wir anderen auch! Wir konnten den Zulauf nicht nur hören sondern auch sehen, denn unten war es klarer. Eine gewaltige Wassermasse ergoss sich in den grün schimmerden Stausee. Trotz allem Unbill eine tolle Wanderung. Im Leitenhof gab es am Abend Gamsbraten und Spinatknödel, köstlich! Nebel bedeckte immer noch die Berge. Wir machten uns auf, um die Berliner-Hütte zu erreichen. Vorbei an Schluchten und Wasserfällen. Ein betagter Wanderer kam uns entgegen. Wie das so ist in den Bergen, wir kamen ins Gespräch und plauderten über unsere Touren. Und gaben ein wenig mit unserem Alter an. Ganz bescheiden erzählte uns der alte Herr, dass er 92 Jahre alt ist. Voller Hochachtung wünschten wir ihm eine gute Zeit und uns, dass wir auch in diesem gesegneten Alter in den Bergen unterwegs sein dürfen. Das ist ein Ziel! Aber vorerst waren wir zutiefst dankbar, dass wir so gut beieinander sind, und das mit 70+ und 80+. In der Berliner Hütte überwältigte uns zuerst einmal die Dimension des Hauses und der imposante Innenausbau. Hier wurde nicht gekleckert, hier wurde geklotzt. Das künstlerisch gestaltete Treppenhaus und der Speisesaal schien so gar nicht ins Gebirge zu passen. Das Essen schon. Bei Bergsteigeressen und Getränken
ließen wir es uns gut gehen, um dann den Rückweg anzutreten.
Kaum zu glauben, am Freitag lagen die Berge in strahlendem Sonnenschein. Auf ihr Wandersleut, marschieren wir zum Pfitscher Joch. Zunächst nahmen wir vom Schlegeissee die schwarze Route. Anspruchsvoll und herausfordernd. Diesen Weg muss man aufmerksam gehen und genießen. An einer Kreuzung der Wege zum Pfitscher Joch und Olpererhaus kamen uns Bedenken ob wir uns nicht zu viel zumuten würden mit unserem Ziel. Wir entschieden uns zum Olpererhaus zu wandern. Das war eine weise Entscheidung. Ein perfekt ausgebauter Weg lag vor uns. Teilweise mit Seilen gesichert und gut zu laufen. Und diese Ausblicke! Wir spürten die Jahrtausende der Berge. Nach und nach war immer ein größeres Stück vom Schlegeissee zu sehen. Tief grün, wie ein Saphir lag er unter uns. In diesem Stück schöner Welt muss man inne halten und Dankbarkeit empfinden. Die Gruppe war ganz still und jeder hing seinen Gedanken nach. Wir erreichten das Olpererhaus, ein besonders interessantes Gebäude mit vielen Haustieren, die frei umher liefen und die Wanderer auf der Terasse besuchten. Hühner pickten neben unseren Füßen Krümel auf und Kinder streichelten Ziegen. Eine Idylle. Nach einer Vesperpause im Sonnenschein nahmen wir den Abstieg unter die Stiefel. Steil und anspruchsvoll, aber was kann uns an so einem geschenkten Tag schon plagen?
Ein Wandertag lag noch vor uns. Wir fuhren zum Stillupp Stausee. Die Autofahrt war ein Erlebnis der besonderen Art. Eine beängstigend enge, kurvenreiche Straße führte hinauf. Ein Lob an unsere Fahrer. Zu Fuß ging es dann am See entlang zum Stillupphaus. Vorbei an rauschenden Wasserfällen und gurgelden Bächen.
Nach kurzem Aufenthalt machten uns auf den Rückweg. In Werners Beinen war noch viel "Wanderung". Er machte einen Umweg über die Grünwandhütte und gesellte sich später zufrieden wieder zu uns. Ein gemütlicher Abend beendete diese tollen Wandertage, zu der ich ein paar Zahlen nennen möchte. Wir sind
- 87,5 km gewandert,
- 3614 Hm aufgestiegen, und
- 2868 Hm wieder abgestiegen.
Lieber Fritz wir danken Dir herzlich für diese erlebnisreiche Wanderwoche. Es ist ein Geschenk mit Dir in den Bergen zu sein.
Lilo Kircher