Leise rieselt der Schnee, still und starr liegt der See. Ebels Winteridyll hätte unser Wandererlebnis auf den Punkt bringen können. Wenn sich unserer tapferen Schneeschuhtruppe ganz ohne namensgebende Steighilfen nicht ein leicht anderes Szenario geboten hätte.
Schneeschuhtruppe ohne Schneeschuhe? Nach entsprechender Wetterprognose fällt unser Gepäck leichter aus als erwartet. So machen sich am Fasnachtssonntag neun Unerschrockene mit Rosa und Achim dazu auf, ihre Wanderschuhe auf Regen- statt auf Schneefestigkeit zu testen und der Wasserläufer zweiter Teil zu werden (s. Karlsruhe Alpin 1/20, S. 21).
Achims Planung sei dank kommt die Truppe trotz unberechenbaren Schienenersatzverkehrs nachmittags gut in Bernau an. Tschakkabumm! Als hätte sie auf uns gewartet, stimmt die lokale Fasnachtszunft bei unserem Auftauchen lautstark ihren Umzug an. Die bunte Feiergesellschaft zieht fröhlich los, das Dorf zu umrunden, während elf Farbtupfen sich in luftige Höhen aufmachen. Herrliche Ausblicke auf Bernau werden dabei mit selten originellen Klängen aus der Tiefe unterstrichen.
Auf halber Höhe erwartet uns eine Richtung Tal ausgerichtete hölzerne Rampe am Berghang. Rosa, die jede Ecke und Geschichte der Gegend zu kennen scheint, erklärt uns die alemännische Tradition des Funkenfeuers. Dabei werden in der Fasnachtswoche nachts brennende Scheiben vom Bock wie Sternschnuppen Richtung Tal geschlagen – in Bernau ausnahmsweise sogar mehrere Tage hintereinander. Der Spruch zum Funkenschlag: „Schiebi, schiebo, wem soll die Schiebe go? Die Schiebe soll em [Name] go. Goht sie it, so gilt sie it.“
Auf der Krunkelbachhütte angekommen, beschließt der Großteil der Gruppe den Tag mit einem kleinen Ausflug zum Spießhorn. Die klare Sicht auf Elsass, Berner Oberland und das nahe Herzogenhorn lässt Gesichter strahlen und macht nahezu den Sturm vergessen, der uns vor sich herschiebt.
Nebelverhangene Wipfel, schneematschige Pfade und schussfahrende Skifahrer säumen am Rosenmontag den Weg zum Feldberg. Wenn Skipisten auftauchen, bleibt die Gruppe zusammen, läuft im Gänsemarsch am Pistenrand und quert gesammelt bei Bedarf zügig. So kommt sich niemand in die Quere.
Nachmittags ziehen beim Anstieg aufs Herzogenhorn etwa zwanzig fröhlich grüßende Jugendliche locker-flockig in Laufschuhen an uns vorbei. Dass es sich dabei um Nachwuchsläufer des baden-württembergischen Leichtathletik-Kaders handelt, erklärt so einiges. Strahlender Himmel, fern schimmernde Schneekuppen und leichte Sturmböen umrahmen unser Gipfelerlebnis auf dem mit 1.415 Metern zweithöchsten Berg des Schwarzwalds. Rosas Feuerwasser wärmt von innen, ein Sonnenbad im Windschatten von außen.
Gut dem, der die Wärme der Sonnenstrahlen zur Fülle genossen. Denn am Dienstag kehren die Wasserläufer wieder. Unser Ausflug nach Menzenschwand wird zur Regenrunde. Als das Berg-Beizle „Zum Kuckuck“ direkt bei unserer Ankuft öffnet, strahlen alle. Trotz funktioneller Kleidung teils bis auf die Haut durchnässt, trocknen unsere Hüllen in der Heizungsecke. Gut gestärkt besuchen wir die Menzenschwander Wasserfälle, die dank des Wetters ihren rauschenden Charme voll ausspielen. Das trogförmige Tal, in der letzten Eiszeit durch einen gewaltigen Gletscher geformt, zeigt sich auf dem Rückweg selbst regenverhangen von seiner malerischen Seite.
In der Nacht vor unserem Abstieg fällt tatsächlich leise Schnee. Etwa fünfzehn bis zwanzig Zentimeter. Flott schreitet Achim voran und bring uns sicher zurück ins Tal. Doch der Schluchsee, an dem wir auf Anschluss warten, liegt weder still noch starr. Vielmehr erinnert er mitten im Schwarzwald mit seinen peitschenden Wellen an die stürmische, hohe See.
Carmen