Als auf dem Wanderparkplatz von Latschau mittags sich die ersten Sonnenstrahlen in den Gesichter von Stefan, Johannes, Oliver und Bernhard spiegelten und im Aufstieg ab 1.000m zur Lindauer Hütte der Schnee unter unseren Ski knirschte, war schnell klar, welch gute Idee von Flo und Andreas es gewesen war, das Rätikon anzusteuern statt im Lechtal durch nasse Latschen zu latschen.
Um einiges Gepäck erleichtert und mit Russ und Suppe gestärkt, erkundeten wir noch am Freitagnachmittag die Nordhänge unter den Drusentürmen. Bei schwieriger Lawinenlage mit Nass- und Altschneeproblemen und kleinräumig verfrachtetem Triebschnee ließ uns ein Schneeprofil und ein Rutschblocktest den Schneeaufbau in einer Steilstufe bei 2.000m recht gut beurteilen. In der anschließenden Abfahrt zur Lindauer Hütte zwang der harschige Plattenpulver fast bei jedem Schwung einen der Teilnehmer zum ungewollten Eintauchen in die unglaublich abwechslungsreich aufgebauten Schneeschichten. Angestrengt und ungläubig bestaunten wir sowohl die robuste Fahrweise unserer Guides sowie die spielerische Talfahrt einer Gruppe einheimischer Freerider im Abendlicht.
Wir hatten viel Platz in Lager und Hütte, da Lawinenlage- und Wetterbericht zu vielen spontanen Absagen geführt hatten. Beim Abendessen trösteten wir uns mit Weißbier und Schnaps über die nordseitigen Schneeverhältnisse. Und auch unseren ursprünglichen Plan, für Samstag unter Mitnahme von Drusenturm und Sporatobel über den Öfapass zum Winterraum der Totalphütte zu gehen, schrieben wir in den böigen Westwind.
Im Hinblick auf Lawinenlage und Bedingungen hatte Flo und Andreas nun den Winterraum der Carschinahütte drüben im Schweizer Rätikon reserviert. In Anbetracht der schnell erreichten Grenzen unseres skifahrerischen Könnens und unseres großen, nicht ausgeschöpften Potentials in der Aufstiegsgeschwindigkeit wiederum eine sehr vorausschauende Entscheidung.
Der Samstagmorgen überraschte uns mit sonnigem Wetter und glatten Aufstiegsspuren zum Drusator. Einige kräftezehrende Ausrutscher und Umfaller senkten unsere Ausstiegsgeschwindigkeit weiter. Auch der Durchstieg durchs Drusator gelang dann mittags nur mit Entlastungsabständen und Skiern in der Hand.
Sonnenschein und Freude auf südseitige Abfahrten ließen uns aus der Scharte dann wohl etwas übermütig in die Schweiz starten. Schon nach wenigen Metern war klar, dass der südliche Plattenpulver noch härter war als der nördliche. Mit der ersten Boxernase sortierte Andreas seine Ski im leicht geröteten Schnee neu und philosphierte darüber, dass man auch mit der falschen Einstellung in einen neuen Hang einfahren könne. Vorsichtig durch kuppiertes Gelände querend gelang fast keinem von uns die Carschinahütte ohne weitere Stürze zu erreichen.
Nach ersten Ausgrabungsarbeiten an der Carschinahütte beschloss die Gruppe den sonnigen Mittag noch für einen Aufstieg auf den südöstlich gelegenen 2.455m hohen Schafberg zu nutzen. Und tatsächlich fanden wir dort an den östlichen Hängen noch etwas Pulverschnee hinter Kämmen und in kleinen Rinnen.
Zurückgekehrt konnten wir ein grandioses Treppenbauwerk von Oli, unserem auf der Carschinahütte gebliebenen Architekten, bewundern. Jetzt war der Zugang zum rund 1,5m unter dem Schnee liegenden Außen-WC auch nachts und bei Schneesturm sicher möglich. Lauschend an der Schneeoberfläche fand Andreas dann auch die Quelle, so dass wir mit ausgegrabenem Brunnen frisches Wasser auf dem eingeschürten Ofen zum Kochen bringen konnten. Lauch und Nudeln, Hackfleisch und Käse, Rotwein und Mirabellenschnaps, alles was bisher unser Rücksäcke gefüllt und unser Rücken gekrümmt hatte, lieferte jetzt einen wertvollen Beitrag zu einem lange und gemütlichen Abend im Winterraum.
Ab sechs Uhr begrüßte das Knistern des Ofens schon den frühen Sonntagmorgen, Kaffee ab sieben lockte auch die Langschläfer aus den gemütlichen Lagern. Wir wollten zeitig raus und zurück über das Drusator zur Lindauer Hütte, denn es war schlechtes Wetter angekündigt. Nach Einzelaufstieg in die Scharte entschieden wir uns für die am weitesten östlich gelegene Abfahrt vom Tor. Im anfangs gut 35 Grad steilen Hang wurden mit Ansage von Flo „Stürze und Stopps zum Zöpfchenflechten“ untersagt und von Andreas eine ideale Linie vorgefahren. Überraschender Weise blieben an dieser etwas heiklen Stelle dann tatsächlich alle auf den Skiern.
Im oberen Teil der folgenden Nordhänge trug die Harschschicht noch und der eingewehte Neuschnee der Nacht lies erste Abfahrtsfreude aufkommen. Leider nur kurz – weiter unten brachen wir wieder in den so wenig geliebten Plattenpulver ein. Diesmal schlug Oli mit dem Gesicht auf die grobvereiste Deckelschicht und musste verpflastert werden. Nach der zweiten Boxernase unserer Ausfahrt hatten wir bis zur Lindauer Hütte ansonsten nur noch zwei gebrochene Stöcke zu beklagen.
Und so wollten wir unser Bergglück nicht weiter strapazieren und fuhren mit Kaffee und Kuchen im Bauch durch den einsetzenden Schneeregen ins Tal und nach Karlsruhe zurück.