Schneeschuhtour mit Kurscharakter
St. Antönien (1450m) im Prättigau/ Graubünden, eingebettet in den südöstlichen Rätikon, ist der perfekte Ort für "slow snow" – Aktivitäten. Vielfältige Aufstiegsmöglichkeiten, einfach zu erreichende (Vor-)Gipfel mit phantastischen Aussichten auf prächtige Bergketten belohnen auch die Anfänger unter den Schneeschuh- und Skitouren-Enthusiasten.
Ausgestattet mit null Schneekanonen und einem Minilift ist der Ort genügend unattraktiv für Abfahrtsskifahrer, so dass man diese dort überhaupt nicht antrifft.
Um so mehr kümmert man sich um die "slow snower". Ausreichend Parkplätze direkt am Ausgangs-punkt, teilweise ausgestattet mit Piepserprüfstationen, unterstützen auch die Solisten.
Trotz des Wahlspruchs "links hinter dem Mond" sind die St. Antönier sehr gut in bequemen sechs Stunden von Karlsruhe mit den Öffis erreichbar.
Zwei Ausbilder haben sich mit 12 Schneeschuh-Neulingen auf den Weg gemacht, drei Tage lang das Geheimnis der Teufelsfratzen zu ergründen.
Ausgestattet mit Schneeschuhen, Schaufeln, Sonden und Piepsern als Leihgeräte des DAV und zwei Theorieabenden fühlten wir uns gerüstet und ausreichend sensibilisiert für die Gefahren von Triebschnee, Gleitschneelawinen, Wechten usw..
Schon fast enttäuscht waren wir über die durchgängige Gefahrenstufe 1 - gering. Was soll man denn da lernen?
Der strahlend blaue Himmel hat uns jedoch entschädigt und Erik und Hansi haben trotzdem alles Wichtige aus den Bergen herausgequetscht: Abrisskanten, Fischmäuler, Schneeprofile, Lawinenrettungssimulationen mit Ein- und Ausgraben, im Laufschritt und unter psychologischen Extrembedingungen.
Und auch aus uns: zum krönenden Abschluss 1000 hm hoch und runter. Wer hätte gedacht, dass wir das hinkriegen? Erik und Hansi!
Jetzt aber zu den Teufelsfratzen, einer bisher kaum untersuchten, sehr flüchtigen Begleiterscheinung des Schneeschuhwanderns. Ordentliche Schneeschuhwanderer werden sie kaum bemerken, höchstens wenn sie als zweiter in der Kolonne laufen und auf die Abdrücke ihrer Vorgänger schauen, was sie natürlich nicht tun, weil sie ständig die Bergwelt bewundern. Pistensäue wie wir, schafften es, einen ganzen Berg damit zu "verschönern". Bemerkenswert sind die Unterschiede: Es gibt freundliche - siehe Fotos - und griesgrämige Fratzen. Es lohnt sich also beim Schneeschuhkauf darauf zu achten ;-)
Ein Riesendankeschön an unsere beiden Tourguides Erik und Hansi für eine Ausbildungstour voller schöner Erlebnisse, Erfahrungen, Weisheiten und Inspirationen!
Jörg Steinbach
Tag 1 für Gruppe 1 mit Erik
Wo geht’s lang? Höhgretji (2249m)
Tag 1 unseres Schneeschuh-Kurses startete mit dem großen Pieps-Check bevor wir uns auf den Weg zu unserem Tagesziel machten – dem Höhgretji, einem Seitengipfel zum Jägglisch Horn.
Dabei schmiss uns Kursleiter Erik ohne Umschweife ins kalte Wasser – oder eher in den kalten Schnee. Beim Orientieren im Gelände, Kartenlesen und Spuren im steilen Tiefschnee lernten wir seine geradlinige Gruppenführung kennen. Nicht zuletzt bei der ausgedehnten Lawinen-Such-Übung, bei der es wiederholt „Auf die Knie, sobald ihr im 5m-Radius seid!!“ hagelte, vermittelte er uns Respekt vor der Thematik.
Bei der wohlverdienten Pause auf dem Gipfel wurden wir über Eigenheiten des Wanderer-Daseins aufgeklärt: „Thermoskanne vor dem Einpacken in den Rucksack vom Schnee befreien? So was machen nur Wanderer“.
Dann machten wir uns an den wunderbar samtig-weichen Tiefschnee-Abstieg, der aufgrund des Erfahrungsmangels teilweise eher in Purzeln und Fallen ausartete. Zitat von Erik, der sich natürlich schon 200 m weiter unten befand: „Das Drama muss ich jetzt mal fotografieren“.
Tag 2 für Gruppe 1 mit Hansi
Rock n' Roll auf dem Spitzenbüel, 2193m
Am zweiten Tag ging es anstatt mit Erik nun mit Hansi auf Tour Richtung Spitzenbüel. Nachdem wir den Einstiegspunkt erreicht hatten, machten wir uns an die Befestigung unserer Schneeschuhe. Dabei überraschte uns Hansi mit einer ureigenen musikalischen Einlage, als aus einem mitgeführten Lautsprecher auf einmal Led Zeppelins „Whole Lotta Love“ in der Cover-Version von Lenny Kravitz dröhnte - „des mach ich immer vorher zum eingrooven“.
Erfolgreich eingegroovt ging es an die Besteigung, die trotz Hansis entspanntem Führungsstil der Tour am Vortag in Sachen Lerneffekt und Strecke in nichts nachstand. Oben wartete ein traumhafter Ausblick in der Sonne. Die ankommende Schweizer Ski-Touren-Gruppe wurde erneut mit „Whole Lotta Love“ begrüßt und neben einem eigens angelegten Schneeprofil konnten wir von Hansis reichem bergsteigerischen Erfahrungsschatz und vielen Geschichten profitieren.
Um Hansis Skifahrer-Gefühle nicht zu sehr in Mitleidenschaft zu ziehen, bemühten wir uns, den Abstieg etwas kontrollierter zu gestalten und die Hänge nicht komplett zu zerwühlen.
Tag 3 für Ambitionierte mit Erik
Tiefschneetraum auf der Girenspitz (2367m)
Aufgrund der Distanz und der Höhenmeter stellte sich diese Tour als die für uns ambitionierteste Tour dar. Zu Anfang fragten sich manche: Schaffen wir das? Ja, wir haben es geschafft. Es war zwar anstrengend, jedoch auch ungeheuer belohnend, als wir nach einem ersten steilen Anstieg eine tief-pudrige Hochebene überqueren durften.
Auch der dritte Tag hielt einige lehrreiche Erfahrungen für uns bereit, zum Beispiel, dass Thermoskannen auf harten Schneeoberflächen in Richtung Abgrund rutschen (besagte Thermoskanne konnte jedoch gerettet werden) oder wie Gleitschneeanrisse zu passieren sind.
Und tatsächlich standen wir bald darauf auf dem Gipfel, den wir in einem sehr steilen letzten Anstieg zu erklimmen versuchten. Dass wir es nicht mit dem viel leichter zu begehenden Grat nebenan versuchten, kommentierte Erik mit einem ironischen „keine Sekunde kann man euch alleine lassen“.
Der Abstieg über (fast) unberührte Tiefschnee-Hänge, der nach drei Tagen Erfahrung nun mühelos gemeistert wurde, stellte sich als ein besonderes Highlight heraus. So mancher fühlte sich gar dazu verleitet, die Hänge geradeheraus hinunter zu sprinten – den ein oder anderen Purzelbaum inbegriffen. Nachdem der Abstieg so rasant bewältigt wurde, blieb sogar noch Zeit für einen abschließenden Kuchen, der das Wochenende abrundete.
Lukas Kopp
Tag 1 für Gruppe 2 mit Hansi
Probiers mal mit Gemütlichkeit
Der zweite Teil unserer Gruppe machte am ersten Tag das Chlei Chrüz (2102m) unsicher. Unter der kompetenten und entspannten Führung von Hansi, nach dem Motto „Probiers mal mit Gemütlichkeit“, wanderten wir gemütlich über offzielle Wege durchs Wildschutzgebiet zum östlichen Hang des Chlei Chrüz.
Hier ließ Hansi uns erst mal freien Lauf und es folgten unsere ersten Versuche, steilere Hänge zu erklimmen. Mal war die selbst gelegte Spur sehr steil und anstrengend, mal sehr flach und sehr viel zu laufen. Mit der Trial-and-Error-Methode und einigen wertvollen Tipps von Hansi wurde unser Vorankommen Stück für Stück besser.
Das Panorama auf dem Chlei Chrüz war bei fantastischem Wetter wunderschön. So entschieden wir uns, das Wetter zu genießen und statt auf das Chrüz zu hetzen, lieber gemütlich die Aussicht zu genießen und danach die ersten Lawinenübungen anzugehen.
Tag 2 für Gruppe 2 mit Erik
Was für eine Show!
Mit Erik erlebten wir auf der zweiten Tour einen strengeren Führungsstil, der uns geradewegs über den Verbindungsgrat Eggberg/Hasenflüeli (2246m) auf den Eggberg (2201m) führte.
An definierten Checkpoints führten wir Gefahrenanalysen durch und konnten am zweiten Tag das Tempo stetig halten - immer mit festem Ziel im Auge.
Nach kleiner Pause gab es ausführliche Einfach- und Mehrfachlawinenverschüttungsübungen. Außer Atem vom Rennen, Suchen und Material ein- und auspacken waren wir froh, endlich in der Sonne in unser Brot beißen und Tee schlürfen zu dürfen.
Doch Entspannung war uns nur kurz gegönnt, denn Erik überraschte uns mit einer schauspielerischen Glanzleistung. Als panisch schreiender Lawinenüberlebender kam er auf uns zugestürzt und berichtete uns von seinen verunglückten Freunden. In dieser fast realistischen Situation lernten wir sehr viele Dinge, die in Stresssituationen wichtig werden: von der Betreuung des Zeugen, über das Abschalten seines LVS-Gerätes bis hin zur Koordination der ganzen Gruppe, gibt es wirklich viel zu beachten und zu üben, damit es in Fleisch und Blut übergeht.
Nachdem Erik beruhigt war und seine Freunde geborgen waren, ging es im strahlenden Sonnenschein auf den Gipfel. Im Abstieg wurden dann alle zu Schneehasen und so kamen wir in Rekordzeit wieder zum Hotel.
Isabelle Rottmann
Tag 3 für Entspannte und Lädierte mit Hansi auf den Eggberg (2201m)
Für diejenigen, die den Eggberg noch nicht bestiegen hatten, ging es heute dort hinauf. Diesmal ohne Lawinenübung, sondern einfach nur im Rahmen einer entspannten Schneeschuhtour, um das lehrreiche Wochenende mit den Vorzügen der Berge im Sonnenschein abzuschließen.
Der Berg war übersät mit Tourenski- sowie Schneeschuhspuren, somit folgten wir größtenteils den vorhandenen Spuren und erreichten zur Mittagszeit die Spitze.
Nach einem kurzen Genuss der Aussicht und einer kleinen Wanderung über den Grat, ging es durch die warme Sonne zurück nach St. Antönien mit guter Laune, musikalischen Einlagen und uns als hüpfende Bergziegen.
Yvonne Steige
Tourinfos | |
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Leitung | Erik Müller, Hansi Droll |
12 Teilnehmer*innen | |
Talort | St. Antönien (1418m) im Prättigau (CH Graubünden), www.pany-stantoenien.ch |
Unterkunft | Hotel-Restaurant Rhätia, www.hotel-rhaetia.ch Lager, 2er- und 4er-Zimmer. Halbpension inkl. Vesperbrot und Marschtee |
Anreise | mit ICE, IC und RE von Karlsruhe Hbf via Zürich und Landquart nach Küblis (Super-/Sparpreis Europa bis Klosters buchen!), weiter mit Postbus nach St. Antönien, ggf. auch Großraumtaxi |
Touren Freitag |
Chlei Chrüz, 2102m (Aufstieg über Osthang, Abstieg über Nordhang) Höhgretji, 2249m (Vorgipfel zum Jägglisch Horn, Aufstieg über Äbi) |
Touren Samstag | Punkt 2246 im Verbindungsgrat Eggberg/Hasenflüeli (Aufstieg über Galtjiwanna) Spitzenbüel, 2193m (Aufstieg über Chaltwasser, Abstieg über Südflanke) |
Touren Sonntag | Girenspitz, 2367m (Aufstieg über Hof) Eggberg, 2201m (Aufstieg über Vordersäss) |
empfohlene Apps | White Risk (Lawinenlagebericht Schweiz) MeteoSwiss (Wetterbericht Schweiz) Swiss Map (Online-Karte Schweiz mit kostenlosem Speichern eines Kartenausschnittes) |
Literatur | Stephan Harvey, Hansueli Rhyner, Jürg Schweizer: „Lawinenkunde: Praxiswissen für Einsteiger und Profis zu Gefahren, Risiken und Strategien“, Bruckmann Verlag GmbH |
Martin Schwarz |