Rucksäcke für eine einwöchige Hüttentour mit Kindern zu packen macht Spaß, aber auch Arbeit. Wir hatten zu entscheiden: Nehmen wir "nur" Helme und Klettersteigsets mit oder auch Seile, Karabiner und das ganze Galama? Ach ja, wir wollten ALLES dabei haben. Bloß nichts verpassen mangels Material! Der Begriff Galama wurde dann zum Running Gag, der uns bleibt. Gemeinhin meint er ja: Schwierigkeit, Ungemach, Zwangslage – Neudeutsch: Stress. Aber: Galama hieß auch mal ein Nerventonikum. Das gefällt uns! Das kommt dem näher, was die Dachstein-Tour für uns war: Ein Wachmacher, ein belebender Rhythmus von Mühsal und Flow-Erlebnis, Freude in zum Teil irrer Landschaft, gemeinschaftliche Anstrengung und dann Stolz auf uns und auf die Kids beim Ankommen auf den Hütten. Hier die Etappen. Zeiten und Höhenmeter wurden aus einem GPS-Gerät ausgelesen und fassen jeweils addiert zusammen, was man bei der Etappe auf- bzw. abgestiegen ist.
3.8. Anfahrt nach Hintergosau und Seilbahn hoch zur Gablonzer Hütte
Von Karlsruhe ins Salzkammergut, Hintergosau, fuhren manche 5 Std., andere deutlich länger. Mit der Gosaukammbahn verschaffen wir uns einen milden Einstieg ins Wanderparadies Dachstein West und treffen uns nach kurzem Anmarsch auf der Gablonzer Hütte: zehn Erwachsene, acht Kinder zwischen fünf und 13 Jahren. Wir freuen uns an den neuen, herrlich roten Gruppen-T-Shirts und grünen Polos, die man auch gut sieht, wenn eins der Kinder beim Versteckspiel auf’s Scheunendach klettert (und wieder runtergewunken wird). Manches breitet erstmals einen Hüttenschlafsack aus.
4.8. Gablonzer Hütte – Theodor Körner Hütte
Nach dem exzellenten Frühstücksbuffet steigen wir von der Hütte weg kurz und steil auf. Später folgt eine Rast in grüner Landschaft mit prima Kletterfelsen für die Aktiv-Pause der Kinder. Franzosen kommen uns entgegen und finden uns eine "belle équipe", eine schöne Truppe … Am hellen Nachmittag treffen wir auf der Körner-Hütte ein. Sie ist ein kleines Juwel mit netter Wirtin, Wald auf der einen Seite, Terrasse und Aussicht auf der anderen. Vom kuscheligen Lager unterm Dach muss man ein Stockwerk tiefer ein weiteres Lager durchqueren, um zum Außenklo zu kommen. (Es war die vielleicht einzige Nacht, in der es kräftig regnete …) Ein paar von uns zieht es nach der Ankunft noch in Richtung Angerstein (nicht ganz hinauf), andere betreuen die Kids, die zum Spielen an der Hütte bleiben wollen, und gehen mit ihnen ein bisschen Geo-Cachen und Eisessen auf der Stuhlalm.
Kinder-O-Töne Dachsteintour: Tim (13 Jahre): "Ein Erlebnis für mich war es, eine Woche ohne Computer zu verbringen. Dass man darauf nicht angewiesen ist ... da gibt es ein Spiel, das ich spielen wollte, das mich gefesselt hat, und deswegen hab‘ ich mich umso mehr gefreut auf das Comeback zu Hause."
5.8. Theodor Körner Hütte – Hofpürgl Hütte, ca. 2 Std., ca. 239 hm (Fam. Seehaus)
Wir verlassen die schnuckelige kleine Hütte mit der kalten Außendusche und dem belüfteten Plumpsklo über die saftigen Almwiesen. Nach kurzer Zeit kommen wir zum steilsten Anstieg des Tages. Dort benutzen wir zum ersten Mal ein Teil unserer Kletterausrüstung, den Helm. Im Anschluss geht es nur noch sanft bergauf und bergab und über mehrere Geröllfelder. Leider haben wir heute mit dem Wetter nicht ganz so viel Glück: Es nieselt die ganze Zeit ein wenig, was sich für die Kleinsten als anstrengend herausstellt. Mancher hat sich nun langsam warm gelaufen, die Gruppe findet zueinander und ist in den Bergen richtig angekommen. Die Hofpürgl Hütte ist groß. Wir haben sehr viel Platz in unserem Bettenlager und die Kinder nutzen das in vollen Zügen mit "Blinde Kuh" spielen, Kissenschlacht usw. Wir bekommen sogar einen separaten Essens- bzw. Aufenthaltsraum für die Familiengruppe, echt Klasse!
Kinder-O-Töne Dachsteintour: Ronja (8 Jahre): "Am besten fand ich auf dem Gletscher zu gehen, die Steinmuscheln und das Wandern."
6.8. Klettertag um die Hofpürgl Hütte (Fam. Seehaus)
Heute ist Pause, heute wird kein Rucksack getragen! In 10 Minuten Entfernung sind Kletterfelsen mit Routen für Groß & Klein, für Anfänger und Könner. Außerdem ein Sport-Klettersteig, der es in sich hat. Ein perfekter Tag als Einstimmung auf das, was am nächsten Tag auf uns zukommen wird. Nach dem Klettern ist der Kopf endgültig frei!
Der Hüttenwirt der Hofpürgl Hütte hat den größten Klettergarten Salzburgs geschaffen. Alle Routen sind sehr gut mit Bohrhaken abgesichert und die Routennamen sind am Einstieg angeschrieben. Die Touren sind in alle Himmelsrichtungen ausgerichtet, so dass man für jedes Wetter die passende Tour findet. Wie Familie Seehaus schreibt, konnten wir in direkter Hüttennähe in einer Schlucht auf engstem Raum bis zu zehn verschiedene Touren klettern und an einem Übungsklettersteig (B/C) üben.
Kinder-O-Töne Dachsteintour: Mia (5 Jahre): "Das Witzigste war die Hütte, wo wir auf den Betten im Lager ‚Blinde Kuh‘ gespielt haben!"
Kinder-O-Töne Dachsteintour: Max (10 Jahre): "Am besten fand ich die Kaminwurzn* und den Gletscher. Die Kaminwurzn war eine schöne Kaminkletterei im Klettergarten in der Nähe der Hofpürglhütte. Auf dem Gletscher haben wir Eiswürfelfabrik gespielt."
7.8. Hofpürgl Hütte – Adamek Hütte (Volker)
Nun wurde es ernst. Die Tage vorher waren im Grunde Aufwärmübungen für die Tour, die wir dann am sechsten Tag machten, den Linzer Weg von der Hofpürgl Hütte bis zur Adamek Hütte. Dabei ist die Entfernung eigentlich nicht groß – keine 8 km – aber die Höhenmeter (1214 m) und die Wegbeschaffenheit sind eine echte Herausforderung, vor allem für die Kinder.
Eigentlich fing die Tour ja sehr gemächlich an: Zwei Stunden auf etwa der gleichen Höhe, dann eine längere Pause an einem Bach, den die Kinder intensiv zum Spielen genutzt haben. Kurz darauf ging es dann durch eine steile Schlucht mit Drahtseilsicherung zum Reißgangsattel hoch. Erstmals konnte man hier einen Blick hinüber ins Gosautal und zur Adamek Hütte werfen. Aber wer gedacht hatte, dass wir es nun mit dem Ziel vor Augen schon beinahe geschafft haben, sah sich getäuscht: Fast 400 Höhenmeter ging es noch steil bergauf. Auch danach zog sich die Strecke noch in die Länge. Immer wieder gab es gesicherte Stellen, an denen Klettern gefordert war, oder Schneefelder, bei denen darauf zu achten war, dass sich niemand rutschend ins Tal verabschiedete.
Landschaftlich war die Tour absolut grandios, zwischen Gosaukamm und Dachsteinmassiv mit herrlichem Panoramablick. Und Fossilienliebhaber kamen voll auf ihre Kosten: Eine Unmenge von "Kuhtrittmuscheln" pflasterte unseren Weg.
Je länger wir unterwegs waren, umso mehr zeigte sich, dass der Kräftevorrat auseinanderdriftete. So setzte sich irgendwann eine Gruppe mit Alex, Ronja, Aron, Tim und Volker ab; diese Gruppe erreichte schließlich 9 Stunden nach dem Aufbruch die Adamek Hütte (2196 m). Alex stellte nur seinen Rucksack ab und ging dann sofort wieder zurück, um erschöpften Gruppenmitgliedern das Gepäck abnehmen zu können. Die anderen informierten die Küche, dass noch mit hungrigen Mäulern zu rechnen war und sorgten dafür, dass uns ein geheizter Gruppenraum zur Verfügung stand. Etwa eine Stunde später kamen dann die anderen, erschöpft, aber glücklich – und mächtig stolz.
Kinder-O-Töne Dachsteintour: Torben (6 Jahre): "Die Kissenschlacht und Blinde Kuh im Bettenlager war superklasse! Beim 10-Stunden-Wandern habe ich nur nicht gemault, weil wir immer wieder das Klettersteigset benutzt haben. Die Klettersteige haben riesig Spaß gemacht. Aber das allerbeste war die Eiswürfelfabrik am Gletscher!"
Prächtiges Wetter, aber nach der Tour gestern kommt für die wenigsten eine Ersteigung des Dachstein in Frage.
Kinder-O-Töne Dachsteintour: Anne (10 Jahre) schrieb uns: "Am besten hat mir gefallen: das GletscherTor und der Gletscher. Aber es gab auch versteinerte Muscheln. Eine war so groß wie meine Hand."
Nachdem ein improvisierter Geburtstagskuchen für Ralf den Tag einleitete, lockte uns erstmals auf dieser Tour prächtiges Wetter mit strahlendem Sonnenschein.
Aber nach der Tour gestern kommt für die wenigsten eine Ersteigung des Dachsteins in Frage. Selbst die Durchtrainierten waren platt. Deshalb entschlossen wir uns, den ausgewiesenen Gletscherrundweg zu gehen.
Interessant und lehrreich war es für alle, ganz besonders für die Kinder. Dass das Dachsteingebiet einst eine Mittelmeerlagune war, zeigten die unzähligen versteinerten Muscheln. Die ehemaligen Endpunkte der Gletscherzunge und damit den Rückgang des Dachsteingletschers zeigten die Markierungen mit den entsprechenden Jahreszahlen. Sehr schön anzusehen waren die Pionierpflanzen, die im Sonnenlicht strahlten.
Am Gletscherauge angekommen, kamen für die Kinder die ausgeliehenen Steigeisen und Pickel zum Einsatz. Für unsere Kinder war das Tageshighlight die Eiswürfelfabrik, die sie in ihrer Fantasie entstehen ließen. Ein kleiner Teil der Gruppe erkundete den unteren Bereich des Gletschers, was für einige der erste Kontakt mit einem solchen Eis-Ungetüm war.
Zurück an der Adamekhütte machte sich ein kleiner Teil der Gruppe zum Felsklettern auf, während der größere Teil von uns den "Sundowner" auf der Terrasse genoss.
Zur guten Stimmung trug auch die Bereitschaft der Wirtin bei, die Menükarte spontan um einen großen Pott Spaghetti Bolognese für die Kinder zu bereichern.
Im Gebiet der Adamek Hütte gibt es neben den Hochtouren rund um den Hohen Dachstein auch sehr lohnende Klettertouren. Nach unserer Zehnstundentour vom Vortag habe wir lediglich die Touren im Hüttenklettergarten vor dem Abendessen angetestet. Max, Alexander, Birgit und Ralf zogen sich die Finger am griffigen Dachsteinkalk lang, während der Rest der Gruppe eine Hubschrauberrettung live von der Hüttenterasse miterlebte.
9.8. Abstieg von der Adamek Hütte nach Hintergosau (Hegner)
Schade, jetzt wären doch gerade gut im Saft! …
Jetzt ist unsere Tour schon wieder fast zu Ende. Leider können wir unseren Aufenthalt auf der Adamek Hütte nicht um einen Tag verlängern. Die Hütte ist von Samstag auf Sonntag ausgebucht. Hoffentlich sind alle, Gäste die reserviert haben, auch wirklich gekommen!
Wir steigen nach der freundlichen Verabschiedung durch die Hüttenwirtin ab Richtung Hinterer Gosausee. Nach ca. 800 Höhenmetern hat uns die Zivilisation wieder: Am See empfängt uns eine Touristenhütte oder soll ich Ausflugslokal sagen. Wir stürzen uns zuerst einmal in den erfrischend kühlen See, dann genießen wir die Leckereien der Speisekarte. Das Ganze wird durch eine original Blaskapelle aus dem Salzkammergut untermalt.
Nach langer Rast machen wir uns an den abschließenden "Hatscher" auf der breiten Forststaße hinab zum unteren Gosausee und an diesem entlang zurück zum Ausgangspunkt unserer Wanderung. Beim verdienten Eis am Kiosk der Gosaukammbahn kommt Wind auf und wir schaffen es in letzter Minute unsere Ausrüstung wieder auseinander zu sortieren und vor den ersten Tropfen die Heimreise anzutreten.
Nach der Sommertour ist vor der nächsten Sommertour. Während wir diesen Bericht schreiben, sind wir bereits mit den Planungen für 2015 beschäftigt. Bereits auf der Dachsteintour wurden die ersten Ideen für unsere Tour in die Pyrenäen und an die Cote d´Argent vom 22.8. bis zum 12.9.2015 gesammelt. Doch das ist eine andere Geschichte...
Hütten
- Gablonzer Hütte: www.gablonzerhuette.at/9.html
- Theodor-Körner-Hütte: www.oeav.at/huetten/index.php
- Hofpürgl-Hütte: www.alpenverein.at/linz/huetten/110_hofpuerglhuette.php
- Adamek-Hütte: www.adamek.at/index.php
Karten
- Alpenvereinskarte Dachstein (14), 1:25000
Führer
- Brandl, Sepp: Dachstein-Tauern West (2012) bzw. die Vorgängerausgabe Pongau (2006): Bergverlag Rother
- Gantzhorn, R., Seeger, A.: Hüttentrecking Band 1 Ostalpen (2012): Rother Selection
- Schall, K., Jekel, Th.: Dachsteingebirge & Gosaukamm (1996): Verlag Kurt Schall
- Kletterführer Hofpürglhütte (2013): Eigenverlag H. Surda/ D. Herzog. Erhältlich auf der Hütte. Topos auch auf der Hüttenhomepage:
- www.alpenverein.com/linz_wAssets/mixed/huetten/hph_kletter