Die alljährliche Ausfahrt der Skitourenecke stand unter keinen guten Vorzeichen. Auf Grund der geringen Schneelage in Nufenen, musste das Organisationsteam um Hansi und Stephan kurzerhand ein Ausweichziel suchen (was für 30 Personen einer echten Meisterleistung gleicht) und wurde glücklicherweise in Davos im Sprecherhaus fündig. Vorneweg zu unserer Unterkunft: Eine erstklassige Versorgung! Das Indische-Buffet am Freitag und BBQ-Fleisch aus dem Smoker-Grill am Samstag waren ein absoluter Hammer und beste Grundlage für viele Touren an drei tollen Sonnentagen. So machten sich die ersten 17 Tourenhungrigen am Freitag sehr früh morgens auf den Weg nach Davos. Die arbeitshungrige Bevölkerung unserer Gruppe stieß erst abends dazu.
Wegen der Lawinenstufe 3 und dem lästigen Altschneeproblem lautete die Empfehlung des SLF: Klassische vielbegangene Touren wählen und Touren mit südlicher Exposition bieten die günstigsten Bedingungen. Somit drängten sich für die Tourenleiter Hansi, Bernhard und Tobias das Chörbschhorn, Tällifurgga und Jörishorn als Einstiegstouren auf.
Chörbschhorn (2650 m)
Etwas übermüdet aber glücklich standen wir um 11 Uhr auf den Skiern. Warum dieser Berg "Horn" heißt, wird beim Begehen nicht wirklich deutlich, aber Chörbsch-(Geröll)-Haufen wäre vielleicht nicht ausreichend wohlklingend. Für den ersten Tag war es ein super Ziel. Der Anstieg von Frauenkirch über die Stafelalp war sehr meditativ und Bernhard hat gut auf uns aufgepasst, dass wir nicht ungestüm losrannten und alle gemeinsam und wohlauf den Gipfel auf 2650 Metern erreichten. Gut passend zum aufziehenden leichten Schneegestöber bot sich die Chörbschhorn-Hütte unterhalb des Gipfels mit einem offenen Winterraum an, um ein labendes Mahl einzunehmen. Auf der Abfahrt entlang der Aufstiegsroute durch gut fahrbaren, aber mäßig fluffigen Powder, machten wir eine weitere Zwischenrast in der Stafelalp. Der Rest der Abfahrt war ein Klacks und zufrieden kehrten wir zurück zum Sprecherhaus.
Jörishorn (2844 m)
Mit dem Stadtmobil fuhr unsere 6er-Gruppe bis zur Sperrschranke zum Fluelapass. Zum Eingehen waren die ca. 2,5km auf der moderat ansteigenden Straße mit geschlossener Schneedecke gerade recht. Vorhandene Aufstiegsspuren verleiteten uns etwas zu früh zum Abzweig nach Norden in eine steile Bergflanke. Ein Check ergab 26° und damit unter der im Lawinenbericht genannten Marke von 30°. Tobias forderte Abstände in steileren Passagen, die wir diszipliniert einhielten. Zum Jörihorn führte keine Spur und so konnte jeder das Anlegen einer neuen Aufstiegspur üben. Nachdem wir auch im steileren Gipfelhang eine geeignete Route fanden, standen wir um 14 Uhr auf dem lediglich durch einen Holzstock gekennzeichneten Gipfel. Zeitweise aufreißende Wolken erlaubten einen Rundumblick. Ohne Zeitdruck fuhren wir in der Abfahrt die Steilstücke einzeln, wobei vereinzelte Steine in der dünnen Schneedecke volle Aufmerksamkeit erforderten. Zwischen den Sammelpunkten versuchte jeder schöne Linien in den Hang zu ziehen - was meist gelang. Zum Ausklang saßen wir noch gemütlich in einem urigen Gasthaus an der Passstraße und verkürzten so die Wartezeit auf das üppige Abendessen.
Tourentag 2
Pischahorn (2980 m)
Am zweiten Tourentag führte Hansi unsere Gruppe mit Richard, Wilfried und Manfred an diesem herrlichen Wintermorgen zum Ausgangspunkt, der Pischahornbahn-Talstation. Dieses Freerider Skigebiet wird leider weniger als früher frequentiert, so dass nur noch ein Kleinbusshuttle von Davos aus stündlich dorthin pendelt. Wir machten uns um 9.20 Uhr mit der Sonne im Gesicht an den Aufstieg. Erst durch den Wald, dann über die ersten Süd-West-Hänge im Flüelatal. Der Tag war grandios und wir trafen nur auf ein halbes Dutzend Skifahrer. Von einer Pause gestärkt ging es ans finale Drittel des Aufstiegs. Wind kam auf, so dass wir nun selbst eine Spur legen mussten. Wir erfreuten uns an dem tiefblauen Himmel und einem beindruckendenden Rundblick über die Graubündener Berge hinaus. Die Erfahrung vom Vortag ließ uns die gleiche Exposition für die Skiabfahrt auswählen und wir wurden wieder mit viel Pulverschnee belohnt. Vom Pischahorn kann man zahlreiche Varianten zur Flüelapassstrasse abfahren. Wir rutschten die Passstraße entlang zum Abschluss in der holzvertäfelten Stube des Gasthaus Alpenrose und Hansi ließ sich einen „Kaffee Lutz“ servieren. Am schmackhaftesten ist diese ursprüngliche Luzerner Spezialität (heller dünner Kaffee mit Zucker und Schnaps) wohl mit dem Zwetschgenschnaps …
Tällifurgga (2568 m)
Vom schönen aber noch schattigen Sertigtal starteten wir gemütlich zu dritt. Zu Beginn wurden wir von Bernhard mit der Abfrage des Lawinen-Maaaaaaantras gleich auf die Probe gestellt (wer sich das mit dem Mantra nur überlegt hat….). Nach kurzem Anstieg durch den lichten Wald legten wir in schönem, mäßig ansteigendem und offenen Gelände unsere Spur. Mit dem Ziel vor Augen wurden unsere Schritte immer schneller und so erreichten wir die Furgga früher als gedacht. Die Pulver-Abfahrt weckte so viele Glücksgefühle in uns, dass wir nach ca. 350 Hm entschieden, nochmals aufzusteigen. Oben kamen wir dann zeitgleich mit der von Osten aufsteigenden Gruppe um Uta und Erik an, so dass wir die erneute Abfahrt hinunter ins Sertigtal gemeinsam in Angriff nahmen.
Tällifurgga Überschreitung
Geführt von Uta und Erik stand die Überschreitung der Tällifurga von Ost nach West an. Startpunkt der Tour war Teufi im Dischmatal. Über den bewaldeten, steilen Nordost-Hang stieg unsere Gruppe ins Rüedisch Tälli auf. Während des Spurens entlang des Talgrunds konnten alle im Lawinenlagebericht erwähnten Gefahrenmuster eindrucksvoll beobachtet werden. Durch wiederholte Wumm-Geräusche wurde die kritische Lawinenlage noch unterstrichen. Durch konservative Anlage der Spur und Auswahl der Abfahrtslinien kamen wir aber auch an diesem Tag in den Genuss von zwei schönen Abfahrten östlich und westlich der Tällifurga. Im Sertig Tal angekommen und nach einer kleinen Stärkung wurde kurzerhand die Langlaufloipe genutzt um bis nach Davos/Frauenkirch zu gleiten.
Chrachenhorn (2891m)
Bei herrlichem Sonnenschein liefen wir in Monstein los und folgten dem einsamen Oberalpbach über das kleine Dörfchen Oberalp in Richtung Bodmen. Den Abzweig nach Rüggschboden verpassten wir und bogen erst auf etwa 2400m nach rechts Richtung Färrich ab. Am herrlichen Älplihorn zu unserer Linken erkannten wir etliche Lawinenabrutsche. Auf dem eigentlichen Weg gingen wir dann in etlichen Spitzkehren in nord-westlicher Ausrichtung hinauf auf den Grat. Dort richteten wir unser Skidepot ein und überquerten die ausgesetzte Stelle, auch auf allen Vieren kraxelnd Richtung Gipfel-Mast. Der Rundumblick war grandios und wir freuten uns auf die Abfahrt in herrlichem, unberührtem Pulverschnee! Vorher mussten wir kletternd erst unsere Skier wieder erreichen (Uli ist uns Kletteranfängern da eine große Hilfe). Die glitzernde Pulverschneedecke erwies sich in den steilen Passagen als trügerisch, denn die Schneedecke war sehr dünn. Darunter felsiges Gelände, das uns die Skier zerkratzte und die Abfahrtsfreude anfangs erheblich trübte (immerhin gabs hier kein Altschneeproblem, da dieser offensichtlich nicht vorhanden ist). Weiter unten war mehr Schnee und wir kamen alle auf unsere Kosten! Die Abfahrt war super, die 6er-Truppe mit Tourguide Tobias ebenfalls.
Genusstour auf das Isenfürggli (2765m)
Nach einem ausgiebigen Frühstück in unserer tollen Unterkunft, machte sich die Gruppe mit unserem Guide Flo auf den Weg, um das Sentischhorn in Angriff zu nehmen. Am Ausgangspunkt angekommen, haben wir die am Vorabend gründlich ausgearbeitete Tour in Natur begutachten können. Uns erschien ein Aufstieg unter den sehr windigen Bedingungen als nicht die beste Variante. Wir haben uns kurzerhand für das gegenüberliegende Isenfürggli entschieden, was sich im Nachhinein als eine sehr gute Alternative herausstellen sollte. Nach rund 3 Stunden haben wir die knapp 850 Höhenmeter gemeistert und konnten das großartige Panorama genießen. Krönender Abschluss war die Abfahrt mit unverspurten Tiefschneehängen und anschließendem Bierchen auf unserer Sonnenterrasse.
Tourentag 3
Pischahorn (2980 m)
Der Bericht über die Verhältnisse von der Gruppe vom Vortag überzeugte unsere 7er-Gruppe mit Tobias als Taktgeber, das Pischahorn am dritten Tourentag in Angriff zu nehmen. Mit Start von der Pischahornbahn verzettelten wir uns gleich trotz hinreichender Spuren und Bernhard wies noch auf ein Wildschutzgebiet hin, an dessen Rand wir uns befanden, oder doch vielleicht schon innerhalb? Nach kurzer Suche fanden wir den richtigen Weg und gingen weiter in Richtung Mattjisch-Tälli. Das Tälli führte uns relativ flach bis zum Gipfelanstieg. Die letzten etwas steileren 250 Höhenmeter zogen wir Kehre für Kehre gemächlich mit der Sonne im Rücken hinauf bis kurz unterhalb des Gipfels. Ein Teil der Gruppe meisterte noch die letzten 50 Hm bis zum Gipfel. Belohnt wurden wir mit einer beeindruckenden 360°-Aussicht auf die umliegenden Hörner. Trotz teils verspurter Abfahrt fand jeder noch ein Stückchen unberührten Schnee bis zur Passstraße hinab und ab da auf der Straße auf ungewohntem Skiterrain zurück zur Bushaltestelle.
Isenfürggli (2765 m)
Am Sonntag früh starten Sandra und Claudia mit einer äußerst motivierten kleinen Gruppe (Hanna, Eva, Andrea, Alvaro, Georg und Oliver) zum Ausgangspunkt oberhalb von Tschuggen im Flüelatal. Das größte und einzige Problem stellten die neuen Adhäsionsfelle von Alvaro dar. Mit vielen Versuchen und Tricks gelang es doch, diese dauerhaft am Ski zu halten. Anfänglich ging es in steilen Serpentinen nach oben, so dass es genügend Gelegenheit zum Üben von Spitzkehren gab. Weiter oben wurde das Gelände moderater, so dass wir bei strahlendem Sonnenschein nach ca. 3 Std. das Isenfürggli erreichten. Nach einer ausgiebigen Rast und dem obligatorischen Gipfelbild genossen wir den herrlichen Powder bei der Abfahrt. Dabei konnten wir noch Sandras Telemarkkünste bewundern, die göttergleich ins Tal schwebte. Danke für die tolle Tour an Sandra und Claudia.
Tällifurgga-Überschreitung
Auch Samstagabend wurden wieder Karten studiert. In unserem Fall wollte die ideale Route der Tällifurgga-Überschreitung von Ost nach West bestimmt werden, inklusive Checkpunkte zu kritischen Stellen. Nach der Anreise per Bus zeigte sich am nächsten Morgen dann das Gelände 'überraschend anders als mancher es sich auf der Karte vorgestellt hatte. Als wesentlicher Checkpunkt war die richtige Brücke zur Bachüberquerung vergessen worden, und so brauchte es einiges Suchen und Spuren, bis wir den steilen Forstweg in die Zielrichtung gefunden hatten. Danach wurde das Gelände eindeutiger, die Wummgeräusche welche die gestrige Gruppe gehört hatte verwandelten sich bei uns in großflächiges 'Setzen' der Schneedecke, aber das zum Glück in flaches Gelände. Bei schönem Wetter blieb auf der Tällifurgga Zeit für eine ausgiebige Rast, bevor es dann auf der Westseite zur Abfahrt ging, wo jeder ausreichend unverspurten Schnee fand. Am Schluss lockte die Langlaufloipe, in Downhill Skating Stil ging es zurück zur Bushaltestelle in Frauenkirch.
Älplihorn (3006 m)
Nach etwas Besserung der Lawinenlage wollten wir mit unserem Tourguide Erik das Älplihorn bezwingen, dem mit 3006 m höchsten Berg der Monsteiner-Kette. Von Monstein folgten wir zunächst dem Talverlauf des Oberalpbachs bis zur Hütte Fanexmeder. Von dort ging es weiter über kupiertes Gelände Bodmen und anschließend in Richtung Nordosten in das relativ flache Bärentälli. Am Talschluss auf ca. 2650 m zielten wir links haltend auf den ziemlich steilen Südhang, und erreichten nach mehreren Kehren den Kamm. Auf dem Skigipfel des Älplihorns belohnte uns eine fantastische Aussicht. Als Abfahrtsvariante wählten wir den Südost-Hang hinab ins Mitteltälli, der uns anfangs im schattenliegend noch nicht ganz geheuer war, aber die Sonne, die in den Hang vordrang, räumte unsere Zweifel aus. Beflügelt von der Abfahrt nahmen wir noch den Gegenanstieg in Richtung Chrachenhorn und die Abfahrt. Zurück Monstein war die Anstrengung der Tour zu spüren und die Uhr zeigte stolze 1625 Hm.
Chrachenhorn (2891 m)
Davos, ein gemütliches Zmorge, bevor wir mit dem PKW zu sechst, unterwegs polizeikontrolliert, nach Monstein aufbrachen. Eine Häuseransammlung, deren Name nicht nur schön klingt sondern die auch so schön liegt, am Ende der Straße, mit Hotel und kleiner Bergbrauerei.
Angenehm zog sich der Anstieg noch im Schatten des anfangs tief eingeschnittenen Tales entlang, den sonnenbeschienenen Hängen entgegen. Wir durchquerten den letzten lichten Baumbestand, stapften entspannt den Höhen entgegen, zwischendrin mal beruhigend schneeprofilierend. Für die letzten 100 Meter über den Grat aufs Spitzli des Chrachenhorns brauchte es Schwindelfreiheit statt Ski und dort angekommen wieder mal freie Sinne, um den Sonnenpanoramarundumblick voll aufnehmen zu können. Grandios!
Auch den freien Blick auf das Abfahren der ebenfalls in Monstein gestarteten Älplihornbesteiger, die uns, im Eifer des erneuten Aufstieges, später noch entgegenkamen, grad bis zum mühsamen Teil unserer Abfahrt, einem Steinfeld mit nur geringer Schneeüberdeckung. Sonst eine beschwingende Abfahrt, die im leichten Pulver begann, und entsprechend den Sonnenfreuden gen Monstein etwas sulziger endete. Dort zurück, obwohl nicht mehr viel Zeit bis zum Znacht, führte kein Weg am höhengebrauten Bier vorbei.
Anschließend ging es für alle wieder zurück nach Karlsruhe. An dieser Stelle vielen Dank dem Orga-Team um Hansi und Stephan, den Tourenleitern, den Verfassern der Berichte und an die ganze Gruppe für das tolle und sehr gesellige Wochenende, von dem so mancher noch immer in Erinnerungen schwelgt:
Montag morgen. Büro.
Mein Kollege sprüht vor Begeisterung und erzählt mir vom besten Wochenende mit großartiger Party und außerordentlich abwechslungsreichem TV-Programm auf seinem neuen 60 Zoll Plasma-Fernseher! Er redet, und redet, und redet...
Ich schließe die Augen und lächle:
Um 10 Uhr stellt sich für die siebenköpfige Frühridergruppe mit Klaudia, Andrea, Oliver, Richard, Manfred, Uli und Team-Chef Hansi für die Tour auf das Tällifurgga folgende Ausgangslage: Lawinenstufe 3, teilweise sonnig, leichter Südwind und Altschneeproblem.
Die ideale Eingehtour mit etwas über 700 Hm startete im Sertigtal auf einem öffentlichen Parkplatz (1861m) am Talschluss. Nach großem Pieps Check gings im Gänsemarsch los. Hansi stellte immer wieder listige Fragen zum kleinen Skitouren 1x1! Jegliche Rezeptoren waren auf maximalen Empfang gestellt. Ein Schneeprofil bestätigte unsere Annahmen zum Schneeaufbau. Äußerst kurzweilig kam schließlich jeder in seinem individuellen Tempo auf der Furgga an. Die Kulisse war einfach atemberaubend. Freie Sicht ins Dischmatal. Mit Dopamin und glänzenden Augen ging es ans Abfellen und Bindung fixieren. Die Gefühlslage entsprach dem kindlichen Gefühl beim Geschenke auspacken unterm Weihnachtsbaum. Auf Bergmannsheil oder High Five folgte noch ein verdientes Gipfelschnäpsle. Wems schmeckt, dem verhilft es bei der Abfahrt zur pantherhaften Geschmeidigkeit! Endlos anmutende Tiefschneehänge, nach unten etwas schwerwerdender Schnee. Einfach genial. Und zack, viel zu schnell unten!
Mein Kollege, atemlos, ist fertig. Ich öffne die Augen. Er schaut mich erwartungsvoll an. Tim Bendzko summt in meinem Ohr: Mir fehlen die Worte, ich hab die Worte nicht.... Mein Kollege und ich lächelten und waren froh!
Ralf Engesser