Stubai 13.-16. März: Dass Romantik bei diesem Kurs nicht im Vordergrund stehen würde, wurde uns bewusst, als uns die Landstraße ins schöne Stubaital verwehrt wurde und wir wieder auf die Brennerautobahn geschickt wurden. "Das ist doch hier keine Romantiktour" war die Aussage. Diese Aussage wurde von da ab zum Geflügelten Wort und lief wie ein roter Faden durch den Kurs – es wurde einem als liebgemeinte Aufmunterung zugerufen, wenn man gerade dabei war, sich mühsam aus der "Gletscherspalte" zu prusiken oder kam einem in den Sinn, wenn aus der losen Rolle ein handfestes Durcheinander entstand.
Also keine Romantiktour, das war dann auch das Mantra der Sechs, die auszogen, den Umgang auf Gletscher und Fels, die Spaltenbergung, lose Rolle, Kraxelei und Co zu erlernen. Freitag früh ging es in Karlsruhe los und dann sehr zügig Richtung Stubai, so dass pünktlich um 10 Uhr mit dem Aufstieg zur Franz Senn Hütte begonnen werden konnte. Beim Aufstieg schmolzen nicht nur die sechs Tapferen dahin, auch der Schnee litt deutlich unter der Wärme. Eine richtige Frühjahrstour. Auf der Terrasse der Franz Senn Hütte herrschte gar reger Biergartenbetrieb und so schlossen wir uns spontan den zahlreichen Skitourengehern an und gönnten uns zunächst eine kleine Pause. Doch Feierabend war natürlich noch lange nicht (keine Romantiktour), denn der erste Tag wurde gleich zum Üben der Spaltenbergung genutzt. Zunächst die Selbstrettung am Felsabhang, danach die Bergung mittels loser Rolle am Abhang – bis beim letzten Durchgang dann die Sonne verschwunden war und die Abendkälte durch die Glieder kroch. Wir kamen alle völlig durchgefroren in die Hütte.
Für den zweiten Kurstag hatten wir eine längere Skitour geplant. In zwei dreier Seilschaften (Andrea, Julia und Tobis mit Erik; Tobi, Oliver und Uwe mit Arno als Teamer) sollte es von der Franz Senn Hütte über die Turmscharte zum Wilden Hinterbergl (3288 m) gehen, dann noch den vorderen Wilden Turm (3177 m) hochklettern und gemütlich über den Turmferner abfahren. Für diese Tour hatten wir viel Zeit eingerechnet, denn es sollten ja verschiedene Dinge geübt werden, wie das Gehen am Seil auf dem Gletscher, das Sichern im Vor- und Nachstieg in der kurzen Kletterpassage der Turmscharte und des vorderen Wilden Turms, sowie das Finden und Bewältigen einer steilen Rinne am Ausgang des Turmferners.
Zunächst passierte das, was wir schon während der Tourenplanung beim Vergleich der Sommer-und Winterkarte entdeckt hatten. Schon auf der Winterkarte waren die Gletscher wesentlich kleiner als noch auf der Sommerkarte. Nun im Gelände war dort, wo noch laut Winterkarte Gletscher sein sollte, lediglich ein Loch. Kein Gletscher weit und breit. Also entschieden wir uns schon wesentlich früher in das Tal Richtung Turmscharte einzubiegen und damit das Loch zu umgehen. Auch weiter oben wurde deutlich, dass der Gletscher inzwischen stark geschrumpft war. Dies hatte allerdings den Vorteil, dass unsere Übungspassage für das Gehen am Seil angenehm kurz war.
Wir waren übungsmäßig nicht die einzigen, ringsum waren verschiedene Gruppen fleißig dabei Schneeprofile zu graben, aus Spalten zu bergen oder Lawinenverschüttete zu finden. Es war offensichtlich, dass die Franz Senn Hütte ein Ausbildungszentrum ist. So störte es niemanden wirklich, dass wir die Turmscharte vielleicht etwas länger als nötig blockiert hielten.
Trotzdem war die Kletterpassage durch die Turmscharte relativ schnell erledigt, die Ski wieder an den Füssen und Seil und Steigeisen sicher verstaut. Bald schon konnte man einen herrlichen Rundumblick vom Wilden Hinterbergl über schneeverschneite, sonnenbeschienene Gipfel genießen. Vielleicht doch ein klein bisschen Romantik? Dem Rundumblick folgte eine kurze Abfahrt mit Gegenanstieg zum vorderen Wilden Turm, der diesmal recht flott bestiegen wurde. Spannend wurde es dann noch einmal bei der Passage der Rinne. Ein einzementierter Haken brachte Erik auf die Idee, man könne sich ja mit Ski abseilen. Und siehe da, das funktionierte wunderbar. Vorausgesetzt, man verhakelte sich nicht mit den Stöcken und landete wie ein Maikäfer quer zur Rinne. Aus dieser Position schien es recht schwierig wieder auf die Beine zu kommen, so dass der beobachtende Rest der Gruppe den Abstieg mit Steigeisen bevorzugte. Fazit: Eine wunderbar abwechslungsreiche Tour, bei der wir sicherlich viel gelernt haben.
Der Sonntag war als letzter Sonnentag angekündigt, weshalb es bereits um 6.00 Uhr Frühstück gab und wir um 7.00 Uhr in den bewährten Seilschaften loszogen. Lediglich die Teamer tauschten durch. Ziel war die Kreuzspitze (3082 m). Zunächst ging es noch gemächlich Richtung Südwest, dann wurde das Gelände immer steiler und mit zahlreichen Spitzkehren gewannen wir zügig an Höhe. Von dem in der Karte eingezeichnetem Knotenspitzferner war nichts mehr zu sehen, so dass wir bis zur Schlussrinne problemlos aufsteigen konnten. Einige Teilnehmer machten schon hier ihr Skidepot, einige Mutige gingen sogar die über 40° steile Rinne mit den Ski hoch, um später eine anspruchsvolle Abfahrt zu haben.
Am Ende der Rinne war dann Kletterei angesagt, zunächst nur mit Steigeisen, als die Route ausgesetzter wurde, sicherten wir uns auch mit einem Seil. Auf dem Gipfel hatten wir eine herrliche Aussicht, von Süden konnten wir bereits die riesige Föhnwalze sehen, die das Wetter der nächsten Tage beeinflusste.
Nach der Kletterei zurück zu unserem Skidepot fuhren wir in tollem Schnee und zahlreichen Schwüngen hinunter zu unserer Hütte. Nach einer kurzen Pause gingen wir zum Eisturm und brachten unsere Eisschrauben und Pickel zum Einsatz. Wir lernten wie man sich mit der Abalakov-Schlinge einen Stand baut und wie man mit Steigeisen, Seil und zwei Pickel einen Eisturm besteigt. Anschließend war nochmals das Üben der losen Rolle angesagt, wieder bis Sonnenuntergang und wieder waren wir trotz der Sonne zum Schluss durchgefroren und freuten uns auf das Abendessen.
Der letzte Tag unseres Kurses begann wieder um 6 Uhr früh. Zu unserem Glück konnten die nicht benötigten Sachen mit der Materialseilbahn nach unten gebracht werden. Unser Ziel war die Innere Sommerwand (3122 m) über die Kräulscharte zu ersteigen. Die beiden Seilschaften wählten ihre Routen bis zum Gletscher etwas unterschiedlich. Die erste Gruppe nahm einen kürzeren, etwas steileren Aufstieg, während die andere Gruppe eine Ecke weiter etwas sanfter aufgestiegen ist. Am Gletscher trafen aber beide Gruppen zeitgleich ein. Das Wetter war wie angekündigt leicht stürmisch und windig. Eine Aufstiegsspur war dadurch meist nicht mehr auszumachen, so dass selbständiges Spurenlegen angesagt war.
Unterhalb der Kräulscharte richteten wir das Skidepot ein. Leichte Kletterei im 2 ten Grad führte die Kräulscharte hoch, wo es doch schon recht ordentlich blies. Das Programm sah den Weg über den Grad bis zum Gipfel mit alpinem Absichern vor. Für manche war das Klettern und Sichern eine ganz neue Erfahrung und erforderte einen gewissen Zeitaufwand. Wir waren auch nicht die einzige Gruppe an diesem Gipfel, was zusätzlichen Zeitaufwand bedeutet. Bei den gefühlten 10 Grad minus war das in der Summe eine lange Zeit, der Lerneffekt allerdings groß.
Die Abfahrt war schnee- und gefällmäßig ein toller Genuss. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und um nochmaliges Auffellen zu vermeiden wählten wir jedoch statt der geplanten Talfahrt über den Gschwetzgrat den Weg über die Franz-Senn-Hütte hinab ins Tal. Ab der Franz-Senn-Hütte folgte eine teilweise enge und eisige Rutscherei bis an den Fuß der Materialseilbahn. Dort wurde das Material wieder in die Rucksäcke verteilt, je nach Packtalent mit gewaltig unterschiedlichem Endergebnis. Nach einer kurzen Abschlussbesprechung bei herrlichem Sonnenschein folgte die restliche Abfahrt mit erheblichen Schiebeeinlagen bis zum Auto. Die Rückfahrt verlief problemlos, so dass wir gegen 21:30 Uhr in Karlsruhe ankamen.
Fazit: Es war zwar keine Romantiktour, aber ein tolles Wochenende mit viel Anstrengung, bei dem wir viel gelernt, tolle Leute kennengelernt und unvergessliche Naturerlebnisse mitgebracht haben. Vielen Dank an Erik und Arno.